Münsterland ist abgebrannt
aufmunternd. «Jeder von uns kennt das Gefühl. Man steht vor einer Leiche, ahnt, dass etwas oberfaul ist, hat jedoch nicht den geringsten Anhaltspunkt für ein Verbrechen. Und dann ist es eben keins. Wie beim Fußball. Ein Foul ist nur dann ein Foul, wenn der Schiedsrichter pfeift. Ansonsten kannst du deinem Gegenspieler ungestraft die Nase brechen.»
Bastian sah ein, dass es eine blöde Idee gewesen war, von Udo Deilbach Unterstützung zu erwarten.
«Verrenn dich nicht!», riet ihm Udo zum Abschied. «Damit schaffst du dir keine Freunde. Warte lieber auf deine nächste Chance.»
Bastian schaute dem gedrungenen, breitschultrigen Mann hinterher, der mit seiner abgewetzten Ledertasche in der Hand auf den Fahrradparkplatz zusteuerte. Die Aussicht auf den Dienst in der K-Wache erschien ihm in diesem Moment noch weniger verlockend als vor seiner Episode bei der Mordkommission.
|||||
Bastian wachte auf, als Mia neben seinem Bett stand. Er musste doch noch einmal eingeschlafen sein. «Wie spät ist es?»
«Acht Uhr, du Langschläfer.»
Er sprang aus dem Bett. «Verdammt. Ich muss ins Präsidium.»
«Nicht bevor wir mit Hilde gesprochen und ihr klargemacht haben, dass es zum Altenheim keine Alternative gibt. Ich bin nicht bereit, die Verantwortung länger allein zu tragen. Du stehst genauso in der Pflicht wie ich, Bastian.»
Er streifte das T-Shirt über. Welche Schlüsse Susanne daraus ziehen würde, dass er schon wieder die Sachen vom Vortag trug, konnte er sich ausmalen. «Okay. Aber nur eine halbe Stunde. Mehr Zeit hab ich nicht.»
Das Gespräch wurde noch grauenhafter, als er geahnt hatte. Im Vergleich zum Vorabend hatte sich Hilde einigermaßen erholt und war von vorneherein auf der Hut. So machte sie gar nicht erst den Versuch, ihre Ausfälle zu vertuschen, sondern schob sie auf einen Virus, den sie sich eingefangen habe, und die Tatsache, dass sie manchmal vergesse, ausreichend zu trinken. Aber das werde sich jetzt ändern, sie verspreche hoch und heilig, jeden Tag mindestens einen Liter Wasser zu sich zu nehmen. Es gebe also gar keinen Grund, sie aus ihrem gewohnten Leben zu reißen und sie zu zwingen, ihr geliebtes Haus zu verlassen. Falls Mia und Bastian doch versuchen sollten, sie gar in einem dreckigen Heim mit stinkenden, brutalen Pflegern unterzubringen, werde sie sich lieber umbringen, damit das mal klar sei. Alle Gegenargumente ließ Hilde an sich abprallen, und als Mias Ton immer schärfer wurde, sie schließlich damit drohte, ein Entmündigungsverfahren in Gang zu setzen und Hilde zwangsweise in einem Heim unterzubringen, wurde es Bastian zu viel. Aus reinem Mitleid schlug er sich auf die Seite seiner Mutter und handelte sich nun seinerseits Mias blanke Wut ein. Am Ende war sein Abgang eine kaum kaschierte Flucht, verbunden mit dem Versprechen, in Zukunft häufiger nach Horstmar zu kommen. Noch im Auto dröhnte ihm der giftige Kommentar in den Ohren, den Mia dazu abgegeben hatte.
|||||
Kurz vor Altenberge meldete sich das Handy. Susanne Hagemeister.
«Ich weiß, ich bin spät dran», sagte Bastian.
«Hast du schon Nachrichten gehört?»
«Wieso?»
«In der Nähe von Schapdetten ist ein Ehepaar in seinem Haus verbrannt. Der Mann war Professor an der Uni Münster.»
Bei dem Wort
verbrannt
spürte Bastian ein leichtes Ziehen im Unterbauch, die sanfte Ankündigung einer Übelkeit. «Und?»
«Selbstmord oder Mord. Es wurde ein Brandbeschleuniger verwendet. Und die Feuerwehr sagt, dass die Tür zum Schlafzimmer, wo die Leichen lagen, vermutlich verschlossen war.»
«Für einen Selbstmord ohne Rücktrittsversicherung gibt es angenehmere Optionen.» Bastian dachte an einen anderen Fall, an einen Mann mit Müllsack über dem Kopf, den sie tot in seiner Wohnung gefunden hatten. Die Hände des Mannes waren mit Kabelbindern auf seinem Rücken gefesselt, deshalb waren sie zunächst von Mord ausgegangen. Untersuchungen der Rechtsmediziner hatten jedoch ergeben, dass dem Mann genügend Zeit geblieben war, sich selbst zu fesseln, womit er wohl ausschließen wollte, sich die Sache im letzten Moment noch anders zu überlegen.
«Das sehen wir auch so», stimmte Susanne zu. «Zumal der Professor vor zwei Tagen bei der Polizei in Nottuln aufgekreuzt ist und Anzeige gegen unbekannt erstattet hat. Er gab an, von zwei jungen Männern belästigt zu werden. Die würden in der Nähe seines Hauses herumlungern.»
Bastian begriff allmählich, warum Susanne ihm das erzählte. «Heißt das, ich bin wieder
Weitere Kostenlose Bücher