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Münsterland ist abgebrannt

Münsterland ist abgebrannt

Titel: Münsterland ist abgebrannt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jürgen Kehrer
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weißt du das?»
    «Von Frau Kemminger.»
    «Tratschen kann sie, sonst nichts.» Hilde guckte grimmig. «Ich komme schon allein zurecht.»
    Bastian ging vor dem Sessel in die Hocke. «Nein, kommst du nicht. Heute hast du total die Zeit vergessen. Und ich bin mir nicht sicher, ob du den Weg nach Hause gefunden hättest.»
    Sie wich seinem Blick aus. «Unsinn. Alles Unsinn. Ich weiß, was ihr vorhabt. Ihr wollt mich in den Altenknast abschieben.» Sie wurde laut. «Mia liegt mir damit ständig in den Ohren. Aber ich gehe da nicht hin, das könnt ihr vergessen.»
    Wie aufs Stichwort klingelte Bastians Handy. Mia!
    Bastian wechselte in die Küche und fasste in knappen Sätzen zusammen, was geschehen war. Sie unterbrach ihn nicht, gab nur durch einsilbige Einwürfe zu erkennen, dass sie seinen Ausführungen folgte und alles andere als überrascht war. Erst als er sich beklagte, von Frau Kemminger erfahren zu müssen, wie es um ihre Mutter stehe, lachte Mia empört auf: «Ich wollte mit dir darüber reden, neulich. Aber du hast mir ja nicht zugehört.»
    Bastian erinnerte sich dunkel an das Telefonat, bei dem er nebenbei ein Bundesligaspiel verfolgt hatte. Mia und er verstanden sich nicht besonders, das hatte sich seit ihrer Kindheit, als ihn die große Schwester ständig gängelte, nicht geändert. Und dass Mia in Laer, einer Nachbarstadt von Horstmar, wohnte und als Frau eines Bankfilialleiters über genug Zeit und Lust verfügte, Hilde fast täglich zu besuchen, war für ihn ein guter Grund gewesen, fast alle familiären Verpflichtungen an sie abzugeben. Wenn er seine Mutter gelegentlich besuchte, bestanden seine Aufgaben darin, elektrische Geräte zu installieren oder zu reparieren und im Winter Kaminholz zu hacken. Mehr erwartete man nicht von ihm.
    «Vielleicht hast du Recht», lenkte Bastian ein. «Was soll ich jetzt machen?»
    «Du bleibst heute Nacht bei ihr.»
    «Hör zu, ich …»
    «Nein, kleiner Bruder, du kannst sie in diesem Zustand nicht sich selbst überlassen. Und ich helfe dir diesmal nicht.»
    Hilde schaute ihn mit großen Augen an. «Was sagt sie?»
    Bastian lächelte. «Sie lässt dich grüßen. Du hast doch nichts dagegen, wenn ich heute Nacht hier schlafe, oder?»

[zur Inhaltsübersicht]
Acht
    Weigold wachte auf. In seinem Schädel pochte ein wahnsinniger Schmerz. Er musste husten. Es stank nach Rauch. Er öffnete die Augen und sah über sich die vertraute Zimmerdecke. Offensichtlich lag er in seinem eigenen Bett. Wie er dorthin gekommen war, wusste er nicht. Das Letzte, woran er sich erinnern konnte, war die Szene im Hausflur. Vor ihm standen die beiden Typen aus dem Auto – und eine Frau. Niemand sagte ein Wort. Die drei schauten ihn nur an. Er schwieg ebenfalls, starr vor Angst. Nicht mal an Flucht konnte er denken, sie wäre ohnehin sinnlos gewesen, die beiden Männer waren schneller und stärker als er. Dann hob einer der Burschen seinen Arm, etwas Langes, Metallisches schnitt durch die Luft. Die Stange oder was immer es gewesen war, musste ihn getroffen haben, denn mit diesem Bild endete seine Erinnerung.
    Weigold betastete sein Gesicht und fühlte eine klebrige Flüssigkeit. Blut. Überall Blut. Er drehte sich auf die Seite und erschrak. Neben ihm lag Karin. Richtig, er hatte sie in seinem Schlafzimmer gefunden und war dann nach unten gerannt, in sein Verderben. «Karin!» Er rüttelte an dem Körper, der nachgab wie eine Gummipuppe. «Karin, verdammt noch mal, mach die Augen auf!» Er erkannte seine eigene Stimme nicht, sie klang, als habe er eine schwere Halsentzündung. Aber das war jetzt das geringste Problem. Er gab seiner Frau ein paar sanfte Schläge auf die Wange. «Karin, bitte! Wach auf!» Nichts, keine Reaktion. Blut und Wasser tropften auf das weiße Gesicht. Weinte er? Tatsächlich, die Schluchzer kamen aus seiner eigenen Kehle.
    Weigold richtete sich mühsam auf. Er musste etwas unternehmen, durfte nicht liegen bleiben. Wenn es doch nur nicht so fürchterlich nach Rauch stinken würde. Wo kam der eigentlich her? Das ganze Schlafzimmer war schon voller Qualm. Und es war heiß, heißer als normal, heißer als an den heißesten Sommertagen. Weigold hievte die Füße aus dem Bett, stand auf – und fiel gleich wieder um. Zu schnell, er musste langsamer vorgehen, konzentrierter. Beim zweiten Versuch setzte er sich erst einmal auf die Bettkante. Und jetzt sah er auch, wo der Rauch herkam: Er kroch durch die Türritzen, kringelte sich vom Boden hoch, drehte Pirouetten bis zur Decke.

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