Münsterland ist abgebrannt
Geduld zu verlieren: «Leute, in einer Viertelstunde müssen wir zur Pressekonferenz. Mergentheim hat das Potenzial, es bis in die
Tagesschau
zu schaffen, also liefert mir verdammt noch mal eine gute Pointe. Selbstmord oder Mord, aber kein Wischiwaschi. Wenn ich sage, dass es ein Selbstmord war, darf es daran keine Zweifel geben.»
«Da wir schon bei der KTU sind, sollten wir hier weitermachen», schlug Fahlen vor. Der MK -Leiter klang jetzt erheblich kleinlauter als noch vor wenigen Minuten.
Gerhard sagte, dass er mit dem Team vor Ort in ständiger Verbindung stehe, man noch ein bis zwei Tage brauche, bis alle Räume der Mergentheim’schen Villa durchforstet seien. Schon jetzt ließe sich definitiv festhalten, dass kein gewaltsamer Einbruch stattgefunden habe, ebenso fehlten Kampfspuren oder verwertbare Hinweise auf die Anwesenheit einer oder weiterer Personen in der Todesnacht, alle Fingerabdrücke, die man gefunden habe, stammten von Mergentheim und seiner Putzfrau.
An dieser Stelle seiner Ausführungen schaute Gerhard kurz zu Bastian. Es war klar, dass Millitzke seinen Chef über ihren Abstecher nach Altenberge informiert hatte. Doch warum erwähnte Gerhard das Kondom im Abflussrohr nicht?
«Na also», stellte Fahlen fest. «Dann sollten wir den Sack jetzt zumachen. Oder hat die überaus langwierige Autopsie eine Überraschung gebracht?»
Die Frage war an Susanne Hagemeister gerichtet, Bastian wurde vom MK -Leiter keines Blickes gewürdigt.
Susanne errötete. «Der Tod ist durch Erhängen eingetreten, so viel steht fest. Und Mergentheim hat sich nicht dagegen gewehrt. Aber …» Sie schaute Hilfe suchend zu Bastian.
Der begriff endlich, was gespielt wurde. Seine Entdeckung, für die er noch bei Betreten des Konferenzsaals Lob und Anerkennung erwartet hatte, würde bei Fahlen und Brunkbäumer nicht gut ankommen, weil sie die Legende vom lupenreinen Selbstmord zerstörte. Deshalb überließen Gerhard und Susanne ihm den Schwarzen Peter.
Bastian holte Luft. «Aber es gab doch eine zweite Person im Haus. Eine Frau, es sei denn, Mergentheim ist im Alter schwul geworden.» Das Spannungslevel im Saal, das im Laufe der Sitzung abgeflacht war, schoss kerzengrade nach oben. «Mergentheim hat kurz vor seinem Tod eine Viagra-Tablette geschluckt. Und er hat ein Kondom benutzt. Deshalb sind wir übrigens zu spät gekommen, wir haben in Altenberge …»
«Keine Anekdoten, Matt», sagte Fahlen. «Komm zur Sache.»
«Das Kondom lag in Mergentheims Klo. Die Rechtsmediziner sind skeptisch, ob sie DNA der Frau finden.»
«Was für eine Scheiße», sagte Neumann.
Drei knisternde Sekunden lang herrschte Stille.
«Und selbst wenn», versuchte es Fahlen. «Er kann Sex gehabt und sich anschließend umgebracht haben. Wir müssen die Selbstmordgeschichte nicht umschreiben.»
«Hören Sie doch auf, Fahlen», widersprach Neumann. «Heute sagen wir, es war Selbstmord und er war allein – und morgen rennt die Frau zu einem Boulevard-Magazin und erzählt eine andere Story. Dann können wir alle einpacken. Nein, wir müssen die Frau finden, daran geht kein Weg vorbei.»
«Leute.» Oberstaatsanwalt Willenhagen stand auf. «Ich sage euch, was wir machen: Wir gehen da jetzt raus und verkünden, dass Mergentheim sehr wahrscheinlich Selbstmord begangen hat, die Ermittlungen aber noch weiterlaufen. Damit sind wir auf der sicheren Seite, egal was passiert. Die MK hat nur noch einen Auftrag: Cherchez la femme. Suchen Sie die Frau – für die Nichtfranzosen unter Ihnen.»
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Bastian betrat die K-Wache und ging zu dem Schreibtisch, an dem er normalerweise arbeitete. Udo Deilbach hatte längst Feierabend, die Kollegen von der Nachtschicht machten es sich auf den Sesseln gemütlich und warteten auf den ersten Einsatz. Richtig rund ging es meist erst nach Mitternacht, wenn Alkohol und Drogen ihre Wirkungen entfalteten.
Kriminalrat Biesinger hatte nach dem Abgang von Willenhagen und Neumann entschieden, die MK auf zehn Ermittler zu verkleinern. Da es ausschließlich um das Aufspüren einer Zeugin ginge, sei ein größerer Aufwand nicht zu rechtfertigen. Ein paar bange Minuten lang hatte Bastian befürchtet, seine Zeit bei den Mordermittlern sei damit schon wieder beendet und die erhoffte Versetzung zum KK 11 in weite Ferne gerückt, doch dann hatte sich Brunkbäumer für ihn eingesetzt und Fahlen empfohlen, den Mann von der K-Wache weiter mitmachen zu lassen, schließlich habe der die Suche nach der unbekannten Frau ins Rollen
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