Multi Kulti Deutsch - wie Migration die deutsche Sprache verändert
doch mehr angepasst als ihre Kommilitonen in anderen Städten.
â Die diesjährige Präsentation war in jedem Fall ein Stückweit mehr interessanter (!) als ihre Vorgängerin.
Möglich ist, dass der MEHR-Typ in seiner Anfangsphase mehrere Stufen durchläuft. So wird er zunächst öfter auftauchen in Sätzen wie:
â Er war mehr aufgeregt , als dass er durcheinander war.
â Im Laufe des Abends und nach einigen Bierchen wurde er mehr und mehr gesprächig .
Hier liegen spezielle Steigerungsformen vor, die für Veränderungen offener sind.
Diese neuen Formen haben offenbar auch Zwischenstufen, die die â¹Zielform⺠sprechergerecht vorbereiten. Das alte â¹interessanterâºtaucht dann in einem nächsten Stadium auf als â¹mehr interessant(er)⺠(s.o.) â eine höchst merkwürdige Mischform, deren Doppelung dann bald wieder beseitigt wird in Richtung auf die endgültige Form â¹mehr interessantâº. Hier höre man auf Kindermund, foreigner talk , Sprachenneulerner oder Versprecher. Auch im Migrantendeutsch ist dies der gängige Typ. Sehen wir uns die Lage in den Hintergrundsprachen der Migranten etwas genauer an.
Wie machen es die Migrantensprachen?
Neben dem Englischen ( more interesting ) werden die Migration und der Einfluss ihrer Sprachen im Milieu der neuen diffusen Mehrsprachigkeiten in Deutschland ordentlich gewirkt haben. Fast schon nicht mehr erstaunlich, dass zwei mächtige Migrantensprachen eine Steigerung nach dem Muster MEHR SCHÃN = SCHÃNER haben.
Das Türkische hat ausschlieÃlich den mehr -Typ güzel : daha güzel â¹schön: mehr schön = schönerâº. Sogar die höchste Steigerungsform hat diese Struktur: en güzel â¹am schönstenâº.
Das Arabische hat, wie das Englische, zwei Modelle, ein schwieriges und ein einfaches. Das schwierige variiert nach dem Prinzip der inneren Flexion die Wurzel:
Wurzel K_B_R â¹groÃâº: kabÄ«r â akbar â¹gröÃer⺠wie in allahu â akbar â¹GOTT IST GROSS⺠eigentlich: â¹ist gröÃer⺠â (als alles was man sagen oder tun kann).
Wurzel Ä_D_D â¹neuâº: ÄadÄ«d â¹ neu ⺠aÄadd â¹neuerâº
Im ganzen Satz: bayt al-muḥÄsib â akbar min bayt al-mudarris.
â¹Das Haus des Bankers ist gröÃer als das Haus des Lehrers.âº
Diese Form ist für Lerner schwerer, weil es keine Regeln gibt und weil man sich mutierte Wurzeln immer schwerer merken kann als den Typ mit MEHR. Dieser kommt aber für lange Adjektive vor und ähnelt darin dem englischen Muster mit more . Das arabische Wort für MEHR ist â aká¹Är : â aká¹Är â ifÄdatan â¹mehr nützlich⺠= â¹nützlicherâº; â aká¹Är intishÄran â¹verbreiteterâº.
Alle Balkansprachen haben den mehr -Typ, und zwar in der bereits hochgradig grammatikalisierten Form; er hat den ersten Typ lauter, schneller vollkommen beseitigt: z.B. griechisch pio kaló â¹mehr schön⺠= â¹schönerâº.
Niemand kann zur Zeit sagen, wie das Deutsche diesen Typ weiterentwickeln wird: ob es eine Variante sein wird wie im Russischenoder Englischen oder ob es weiter geht in Richtung auf die romanischen Sprachen. Sicher scheint â mit Blick auf Europa â, dass der alte Komparativ vom Typ laut : lauter in der Zukunft nicht das einzige Muster bleiben wird.
Der Umlaut wird allmählich eingeebnet
Eine weitere Vereinfachung, die noch ganz im Verborgenen stattfindet, schlieÃt sich hier direkt an. Die deutsche Grammatik ist überall von Formen durchzogen, die in lautlichen Varianten vorliegen:
â stark : stärk -er ; rot : ge röt et ; helf en : hilf!; Rat schlag : Rat schläg e; lad en : läd t etc.
Der Normal-Vokal wechselt ab mit dem Umlaut, wir nannten das â¹innere Flexionâº. Was neuerdings vor sich geht, ist, dass die Unterschiede zwischen den Formen, von denen viele einen Umlaut haben, eine schwache Tendenz zum Abbau entwickeln, d.h. die Formen werden vorsichtig vereinfacht und die Umlautformen immer öfter geschwächt oder gleich ganz eingeebnet. Im Jugendjargon sind Formen wie
â nehm das!, helf ihm (ihn) mal!, sprech deutsch!, er ratet, sie ladet ein
zwar noch nicht die Regel, kommen aber immer häufiger vor, zumal dann, wenn der Schulalltag weit weg ist. Aber auch unter gebildeten Erwachsenen
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