Mum@work: Roman
inzwischen vom Schinken befreite Dattel von sich schleudert. Sie landet - ein NBA-würdiger Airball oder auch einfach nur Murphy's Law — direkt in seinem Orangensaft, das Glas fängt an zu schwanken, Tobias versucht, das Schlimmste zu verhindern. Dabei bleibt er im Rosengesteck hängen. Das Glas fällt um. Der Orangensaft läuft über die weiße Tischdecke und Tobias' Ärmel. Das Gesteck ist zerstört.
»Entschuldigen Sie bitte«, sagen Tobias und ich unisono.
Der Kellner ist erstarrt.
»Kein Problem. Wenn Sie möchten, kann ich Sie am äh ...«
Warum stottert er plötzlich?
»... am ... an einen anderen Tisch setzen.«
Der Platzwechsel nach Mäxchens Tischbasketballeinlage war vergleichsweise unspektakulär und eigentlich auch unproblematisch, da um 18:30 Uhr (Family-Dinner!) einfach noch kein anderer Tisch besetzt war. Aber vorbei war die Nervenprobe damit noch lange nicht. Denn ...
Tobias war in Richtung Toiletten verschwunden, um den Orangensaft aus seinem ehemals weißen Hemd zu entfernen. Max hatte Gefallen an den niedlichen Sesam-Flûtes gefunden und Mund und Hände voll. Ich lehnte mich zurück, um für ein paar ruhige Sekunden den Blick auf die Elbe zu genießen. Doch dann meldete sich Mareike zu Wort.
»Mama, ich muss A-a.«
»Aha. Dann geh doch einfach schnell zu Papa, der ist sowieso schon auf der Toilette. Du musst einfach nur zur der Tür mit dem Männchen drauf gehen.«
»Nein, du sollst mitkommen. Popo abputzen.«
»Meiki, ich kann Max hier nicht alleine lassen. Und Papa ist doch sowieso schon da.«
»Nein. Vielleicht ist er schon wieder weg.«
»Der ist noch da. Also geh.«
»Nein.«
»Doch.«
»Dann musst du eben warten, bis Papa wiederkommt.« »Nein, muss ganz dringend.« »Dann lauf los.«
Erst hatte ich noch Hoffnung, dass sich die Lage stabilisiert, denn der erwartete Wutanfall mit obligatorischem Geschrei blieb an dieser Stelle aus. Stattdessen marschierte Mareike los, und das sogar in dieselbe Richtung, in der auch Tobias verschwunden war.
Doch auf halber Strecke standen die zu so früher Stunde noch völlig unterbeschäftigten Kellner. Die Herren, im Schnitt Mitte bis Ende zwanzig, waren sicher alle schon längst Maître d'hôtel, also die Creme der Servierer, sozusagen die Königspinguine, aber genauso sicher waren sie alle auch noch kinderlos.
Mareike stolzierte mit erhobenem Kopf und gewohntem Selbstbewusstsein mitten durch das Kellnerspalier. Irritierte Blicke. Im Flaubert werden sicher regelmäßig Schoßhündchen reicher Damen, aber wohl nie Kinder gesichtet. Dann nahm sich einer der Kellner ein Herz und das Unheil damit seinen Lauf.
»Na, kleines Fräulein, kann ich Ihnen helfen?«
Eine Sekunde Zögern. Ein Blick zu mir. Ein Blick zum hilfsbereiten Ober.
»Ja, du kannst mitkommen. Abputzen.«
9. Kapitel
Date: 8. August
To: BetterMedia Germany
From: Katharina Stein, Head of German PR
Re: Pressekonferenz Mum@Work
All,
die Pressekonferenz für den Launch von Mum@Work wird am
FREITAG, 18. AUGUST,
UM 10:00 UHR IM FLAUBERT, ELBCHAUSSEE 430
stattfinden. Bitte Einladungen an Presseverteiler vorbereiten. Arbeit an Pressemappe mit höchster Priorität fortsetzen. Anfragen wegen MAMA.Com-Problemen nach Möglichkeit ignorieren, sonst direkt an mich weiterleiten.
Deadline ist Mittwoch, 16. August, dann auch ggf. Vorbereitungsmeeting. Bis dahin Result-Meldungen bitte regelmäßig per Mail an mich.
Katharina Stein
Head of German PR
»Bin gleich bei dir, Carola. Mach es dir doch schon mal im Wohnzimmer gemütlich, okay?«
»Ja, kein Problem, lass dir Zeit.«
Carola ist zum Kaffee vorbeigekommen, auf dem Rückweg von ihrem Job in der Rathaus-Pressestelle. Die Kinderfrau ist ja ohnehin noch bei ihren vier Mädels, und nun macht Carola eben ein paar Überstunden bei mir. Ist ja auch ein Büro. Da kann sie das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden.
»Oh, das liest sich aber nicht so gut«, ruft sie mir zu, während ich noch am Computer sitze und an einer dringenden E-Mail bastele. »Was denn?«
»Na, der Artikel von diesem Malzbecher. Darf ich weiterlesen?« »Klar, haben vor dir ja auch schon rund eine Million andere Leser gemacht.«
Computer Heute
MAMA.Com von BetterMedia: Pleiten, Pech und Pannen
- Von Clemens Malzbecher -
Hamburg, 7. August - Die mit viel Furore in Deutschland gestartete Telearbeitssoftware des amerikanischen Medien- und Unterhaltungskonzerns BetterMedia scheint unter dem Motto »Pleiten, Pech und Pannen« zu stehen.
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