Mum@work: Roman
kunstvollen Nesterndrapiert, und rund um unsere Teller reihen sich mindestens drei Gabeln, drei Messer und Löffel in allen erdenklichen Größen. Das Rosengesteck in der Tischmitte dürfte ungefähr so viel gekostet haben wie der silberglänzende Weißweinkübel daneben. Nur unser aufblasbarer Kindersitz in Neongrün hebt sich dramatisch ab von der Holztäfelung hinter unserem Tisch und der weißen Stuckdecke darüber.
Wir sitzen in einem richtigen Sterne-Restaurant. Die zu erwartende Abwechslung zu »Gemüse mit Sternchennudeln und Bio-Schinken, ab dem 8. Monat«, das ich mir hin und wieder mittags mit Max teile, kommt mir durchaus gelegen.
»Meinst du, die >Variation von schottischem Lachs< wäre etwas? Steht ganz unten. In Cognacvinaigrette an Auberginenkaviar und, oh, vielleicht doch nicht, Meeresalgen.«
»Hm. Wäre doch mal was anderes. Weißt du, viele Urvölker in Südostasien essen Algen seit Jahrtausenden. Und das tonnenweise. Algen sollen auch viel ungesättigte Fettsäuren und Beta-Karotin haben. Herzinfarkt kennt man da gar nicht.«
»Nein, lass mal, ich warte lieber ab, was es auf der Tageskarte noch so gibt.«
»Hey, Max, aber für dich hab ich was gefunden«, sagt Tobias.
»Gekräutertes Maishuhn im Brotmantel mit Trüffelrührei und tatsächlich ... Popcorn!«
»Mampf«, sagt Max und fängt an, das Schälchen mit dem Whiskey-Chutney-Dip für unsere Amuse Bouche genauer zu untersuchen.
»Popcorn magst du doch gern, oder, Max? Und der Rest ist fast wie Chicken McNuggets.«
»Nur, dass es sechsundzwanzig Euro kostet, man dafür aber das Trüffelrührei abbestellen muss. Das isst Max nie.«
»Ach, dann esse ich es. Aber Popcorn kommt bestimmt gut an. Max, kannst du schon Popcorn sagen? Pop-com ...«
»Po, po, popp, popo.«
»Hm. Was möchtest du denn?«, erkundige ich mich bei Mareike. »Nudeln. Die gab es schon sooo lange nicht mehr.« Glatte Lüge.
»Nein, Meiki, nicht schon wieder Nudeln.«
»Doch, die hab ich schon gaaaanz lange nicht mehr gegessen. Das letzte Mal war an Montag vor drei Wochen.«
»Das heißt, am Montag, mein Schatz, aber es stimmt auch gar nicht. Es gab gerade am letzten Wochenende Nudeln.«
»Nein, an Montag!«
»Am Montag.«
»Siehst du?!«
Aaargh.
»Nein, ich meine, es heißt am Montag. Die Nudeln gab es aber am Wochenende. Es ist also noch gar nicht so lange her, dass wir ...«
»Mama, bitte, bitte. Ich möchte Nudeln, am liebsten die gekringelten.«
Gegen die Bitte-bitte-mit-Augenaufschlag-Taktik bin ich leider immer noch nicht immun.
»Na gut, mal sehen. Aber ich weiß nicht, ob es die hier überhaupt gibt.«
Mit wenig Hoffnung scanne ich die eigentlich recht übersichtliche Speisekarte vom Flaubert, dem derzeit angesagtesten Restaurant Hamburgs.
Ich brauche für die Mum@Work-Pressekonferenz dringend eine angemessene Örtlichkeit, sodass ich unmöglich auf den nächsten freien Babysitter warten konnte. Wir sind also noch am Abend nach der Strategiesitzung in der BetterMedia-Zentrale zu viert zu einem gemütlichen Family-Dinner im Flaubert aufgelaufen. Natürlich habe ich beim Reservieren nichts von den lieben Kleinen gesagt, dafür aber den Auftrag für die Pressekonferenz in Aussicht gestellt - vorausgesetzt, es schmeckt und der Service stimmt.
»Nein, tut mir wirklich leid, Meiki, es gibt keine Nudeln.«
»Doofes Restaurant. Warum sind wir denn nicht wie sonst immer zu McDonald's gegangen?«
Ein bisschen zu laut, aber: gute Frage. Trish hatte das doch neulich auch schon vermutet. Warum also nicht?
Sehr geehrte Kollegen und Kolleginnen,
Ronald McDonald gibt sich im Namen von BetterMedia die Ehre, Sie zu einem Presseempfang anlässlich des Deutschland-Starts von Mum@Work in die McVIP-Lounge in unser Restaurant am Gänsemarkt einzuladen.
Bei feinen Häppchen von BigMäc®, Hamburger Royal TS® und McRib® sowie einem Schluck gut gereiften Vanille-Milchshakes möchten wir Ihnen das Konzept unseres neuen revolutionären Internetportals für die Telearbeit präsentieren. Für einen gemeinsamen Besuch im PlayPlace sollte anschließend auch genügend Zeit sein.
Mit freundlichen Grüßen ...
»Meiki, warte mal, was magst du denn noch? Vielleicht ein Ei? Weißt du, so wie zum Frühstück. Jedenfalls fast so.«
»Ein Ei?«, erkundigt sich Tobias ungläubig. »Wo hast du das denn entdeckt?«
»Na hier, zweites Gericht von oben: pochiertes Ei in Kartoffel-Schnittlauch-Creme. Die Jakobsmuscheln und den Imperial-Kaviar müssten wir vielleicht
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