Mum@work: Roman
Wochen!«
Ein Raunen geht durch den Raum. Das Gemurmel signalisiert nicht unbedingt Begeisterung.
»Ich weiß, das ist eine große Herausforderung für unser Team, die wir aber mit einer Portion Extraengagement durchaus bewältigen können.«
Sehr überzeugend, ich glaub's fast selbst.
»Die Medien werden kein anderes Thema mehr kennen, vor allem nicht über irgendwelche Pannen bei MAMA.Com berichten. MAMA. Com war gestern, heute ist Mum@Work!«
Bla bla bla.
»Wir werden rund um die Uhr arbeiten und Mum@Work mit einem großen Knall präsentieren.«
»Dann musst du aber in der Zeit auch im Büro sein.« Wie bitte?
Das war Meier-Rupp. Ich dachte, zumindest Kreative fänden diese männlichen Präsenzrituale im Büro nicht wichtig. Was denken dann erst die anderen? Oberchef Randy steh mir bei.
»Nun, ich werde die Vorbereitungen nach meinen eigenen Vorstellungen steuern, von wo aus auch immer.«
Erneutes Geraune.
»Frau Stein?« Der Praktikant scheint seinen ganzen Mut zusammengenommen zu haben. Jedenfalls klingt seine Stimme betont selbstbewusst. Aber das konzernweite Duzen hat er sich dann doch nicht getraut.
»Ja, Herr ...«
Oje, wie hieß der noch mal? Baibach? Nein, das war sein Vorgänger. Peters? Nein, das war eine Frau. »Friedberg.«
»Ach richtig, was gibt es denn, Herr Friedberg?«
»Ich hätte da noch einen Vorschlag zur Werbekampagne«, sagt Herr Friedberg und streicht sich sein präzise mittelgescheiteltes Blondhaar aus der Stirn. Er ist mit seinem Dreiteiler mit Abstand derjenige, der in der Runde am meisten »overdressed« ist. Warum hat ihm noch niemand gesagt, dass es bei BetterMedia den »casual friday« gibt? Und der ist heute. Mein Glück.
»Also«, sagt der Praktikant und schiebt sich räuspernd seine Krawatte zurecht. Der Arme, hoffentlich bekommt er keinen Hitzschlag.
»Man kann ja seit neuestem Demonstranten mieten, und natürlich auch Demonstrantinnen.«
Hört, hört.
»Wir könnten Protestzüge durch die Zentren der größten Städte Deutschlands organisieren, mit denen auf die Schwierigkeiten bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf hingewiesen wird. Eine umfassende Coverage in der Presse ist uns sicher. Ja, und ...«
Praktikant Friedberg blättert in seinem Mäppchen.
»Also, Personalchefs werden sich in Talkrunden mit den ersten Erfolgen von MAMA.Com rechtfertigen, und das neue Internetportal Mum@Work kommt dann genau im rechten Moment als die Rettung für alle.«
Gar nicht schlecht. Und mutig, mutig. Aber das hier ist auch seine einzige Chance. Beim Kaffeekochen und Kopieren wird sicher keiner auf ihn aufmerksam. Er wird von der Bildfläche verschwinden, wie schon die hundertfünfzig Praktikanten vor ihm. Dabei sieht auch dieser wieder so aus, als würde er für einen richtigen Job so ziemlich alles tun.
Vielleicht selbst demonstrieren?
Als Mutter verkleidet?
8. Kapitel
Tobias war sauer.
Genau an diesem Freitagmorgen, als ich mich im Halbschlaf aus dem Haus gestohlen habe, hatte er nämlich eine wichtige Besprechung. Jedenfalls was man an der Uni so unter wichtig versteht. Es ging um diesen Ethnologenkongress, den er organisieren soll. Budget rund 7500 Euro - ungefähr die BetterMedia-Portokasse für einen Monat. Davon sollen etwa ein Dutzend Völkerkundler aus Westafrika eine Woche in Hamburg weilen, Flug, Unterkunft und Verpflegung natürlich inklusive.
Sauer war Tobias aber nicht, weil ich ihm Max überlassen hatte, sondern weil ich ihn nicht rechtzeitig zu der um zehn Uhr nach Uni-Standards praktisch vor Morgengrauen stattfindenden Sitzung geweckt hatte. In die Uni kam er also zu spät - und nicht allein.
Max hat er nämlich einfach mitgenommen und Frau Schwertfeger, der Teilzeitsekretärin für die Fachbereiche Geschichte, Ethnologie und Afrikastudien, quasi direkt auf den Schreibtisch gesetzt. Das sollte mal eine Mutter machen! Also ich, mit meiner Sekretärin, sozusagen.
»Guten Tag, Frau Müller-Hölzenbein, mein Mann hatte heute einen wichtigen Termin und konnte sich leider nicht um Mäxchen kümmern. Es macht Ihnen doch bestimmt nichts aus, ein halbes Stündchen ein Auge auf den Kleinen zu werfen, oder?«
»Frau Schwertfeger war ganz begeistert«, erzählt Tobias, jetzt, da sein größter Ärger über die Verspätung bei der Besprechung verflogen ist und er an seinem Spätburgunder, Jahrgang 2003, für zwölf Euro das Gläschen, nippt. Zwischen uns steht ein silberner Kerzenleuchter, die extrasteif gestärkten Stoffservietten sind zu
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