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Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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schwer, dieses kurze Flackern zu bemerken.
    Oma nickte und beugte sich wieder vor.
    Sie war stolz auf ihre Fähigkeit, Leute nach ihrem Händedruck und mit einem Blick in die Augen beurteilen zu können. In diesem Fall fühlte sich die Hand ziemlich hart und kalt an.
    »Nimm die Kuh«, sagte sie.
    SIE IST EIN KOSTBARES GESCHÖPF.
    »Wer weiß, was einmal aus dem Jungen wird.«
    Tod stand auf und griff nach der Sense.
    AUTSCH, ächzte er.
    »Ja, das ist mir bereits aufgefallen«, sagte Oma Wetterwachs, als sich die Anspannung verflüchtigte. »Du versuchst stets, den Arm zu entlasten.«
    ACH, DU WEISST JA, WIE DAS IST. STÄNDIG DIE GLEICHEN BEWEGUNGEN…
    »Es könnte schlimmer werden, wenn du nichts dagegen unternimmst.«
    WIEVIEL SCHLIMMER?
    »Soll ich’s mir mal ansehen?«
    WÄRST DU SO NETT? IN KALTEN NÄCHTEN TUT ES GANZ SCHÖN WEH.
    Oma erhob sich und wollte den Knochen betasten, aber ihre Hand glitt einfach hindurch.
    »Hör mal, du mußt dir schon etwas mehr Substanz geben, wenn ich dir helfen soll…«
    VIELLEICHT MIT INKWER UND HAGABUTT?
    »Oder mit Lakritze? Du weißt sicher, daß so etwas nur dazu dient, die Leute abzulenken. Komm jetzt, roll den Ärmel hoch. Stell dich nicht so an. Du hast doch keine Angst vor mir, oder?«
    Omas Hände betasteten glatte Knochen. Sie hatte schon üblere Dinge berührt. Diese waren mit Sicherheit nie von Fleisch bedeckt gewesen.
    Sie fühlte hier und dort, griff fest zu, drehte…
    Es klickte.
    AUTSCH.
    »Versuch jetzt mal, die Schulter zu bewegen.«
    HMM. JA. GEHT ALLES VIEL LEICHTER. JA, TATSÄCHLICH. MEINE GÜTE. JA, HERZLICHEN DANK.
    »Wenn du erneut Schwierigkeiten damit hast… Du weißt ja, wo ich wohne.«
    DANKE. VIELEN DANK.
    »Bitte melde dich vorher an. Nichts für ungut.«
    DANKE.
    Tod ging fort. Kurze Zeit später schnaufte die Kuh leise. Dieses Geräusch und ein erschlaffender Leib markierten den Übergang vom lebenden Tier zu abkühlendem Fleisch.
    Oma hob das Baby an, und ihre Fingerkuppen strichen über seine Stirn.
    »Kein Fieber mehr«, sagte sie.
    FRAU WETTERWACHS? fragte Tod von der Tür her.
    »Ja?«
    ERLAUBE MIR EINE FRAGE. WAS WÄRE GESCHEHEN, WENN ICH… NICHT VERLOREN HÄTTE?
    »Beim Kartenspiel, meinst du?«
    JA. WIE HÄTTEST DU DICH VERHALTEN?
    Oma legte das Baby vorsichtig ins Stroh zurück und lächelte.
    »Nun«, sagte sie, »zunächst einmal hätte ich dir den verdammten Arm gebrochen.«
     
    Agnes blieb lange auf, weil alles so neu war. Die meisten Leute in Lancre gingen, wie es so schön heißt, mit den Hühnern zu Bett und standen mit den Kühen auf. { * } Doch an diesem Abend sah sich Agnes die Spätvorstellung an und beobachtete anschließend, wie die Kulissen fortgeschoben wurden. Sie sah den Darstellern nach, die das Gebäude verließen oder – wie die jüngeren Chorsänger – ihre Unterkünfte in abgelegenen Bereichen des Opernhauses aufsuchten. Und dann waren nur noch Walter Plinge und seine Mutter da und begannen zu fegen.
    Agnes ging zur Treppe. Hier gab es keine Kerzen, aber im Zuschauersaal brannten noch einige. Ihr Licht reichte gerade aus, in der Dunkelheit Schatten entstehen zu lassen.
    Die Treppe ragte an der Wand hinter der Bühne empor, und nur ein wackliges Geländer trennte sie von der Tiefe. Außer zu den weiter oben gelegenen Lagerräumen und dem Dachboden führte sie auch zu den Soffitten und geheimen Plattformen. Von dort aus bewirkten Männer in grauen Overalls die spezielle Magie des Theaters, für gewöhnlich mit Hilfe von Flaschenzügen…
    Eine Gestalt hockte auf einem Stützelement über der Bühne. Agnes bemerkte sie nur, weil sich der Unbekannte bewegte. Er kniete und hielt in der Finsternis nach etwas Ausschau.
    Agnes wich zurück. Eine Treppenstufe knarrte.
    Die Gestalt drehte sich um. Ein kleines Quadrat aus gelbem Licht flammte in der Schwärze auf, und sein Glanz nagelte Agnes an die Backsteinwand.
    »Wer ist da?« fragte sie und hob die Hand, um sich die Augen abzuschirmen.
    »Wer ist da ?« erwiderte eine Stimme. »Oh, du bist’s. Perdita, nicht wahr?«
    Das gelbe Quadrat schwang hin und her, als die Gestalt über das Gerüst kletterte.
    »André?« brachte Agnes erstaunt hervor. Sie wollte zurückweichen, doch die Ziegelsteine hinter ihr blieben massiv.
    Und plötzlich stand er auf der Treppe, kein Schemen, sondern eine ganz normale Person. In der einen Hand hielt er eine große Laterne.
    »Was machst du hier?« fragte der Organist.
    »Ich… wollte gerade zu Bett gehen.«
    »Oh, ja.« Der junge

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