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Mummenschanz

Mummenschanz

Titel: Mummenschanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Mann entspannte sich ein wenig. »Einige Mädchen wohnen hier im Haus. Die Verwaltung möchte vermeiden, daß ihr spätabends allein nach Hause gehen müßt.«
    »Und du? Was machst du hier?« Agnes wurde sich plötzlich bewußt, daß überhaupt keine anderen Personen in der Nähe weilten. Sie waren allein.
    »Ich… habe mir den Ort angesehen, wo der Geist versuchte, Herrn Kripps zu erdrosseln«, sagte André.
    »Warum?«
    »Ich wollte mich vergewissern, daß jetzt alles in Ordnung ist.«
    »Darum sollten sich doch die Bühnenarbeiter kümmern, oder?«
    »Oh, du kennst sie ja. Ich wollte nur auf Nummer Sicher gehen.«
    Agnes blickte auf die Laterne.
    »Die sehe ich jetzt zum erstenmal. Wie ist es dir gelungen, sie so schnell zu entzünden?«
    »Oh, sie brannte die ganze Zeit über. Hier ist eine Klappe…« André klopfte darauf. »Man kann sie öffnen oder schließen. Dadurch wird’s hell oder dunkel.«
    »Welchen Sinn hat eine dunkle Laterne? Sucht man damit nach dunklen Dingen?«
    »Spar dir deinen Sarkasmus. Ich wollte nur sichergehen, daß es keine Probleme mehr gibt. Auch du würdest ständig über deine Schulter blicken, wenn…«
    »Gute Nacht, André.«
    »Gute Nacht.«
    Agnes eilte den Rest der Treppe hoch und in ihr Zimmer. Niemand folgte ihr.
    Als sie sich beruhigt hatte – was eine Weile dauerte –, entkleidete sie sich im großen Zelt ihres roten Flanellnachthemds, ging ins Bett und widerstand der Versuchung, sich die Decke über den Kopf zu ziehen.
    Sie starrte in die Finsternis.
    Das ist doch dumm, dachte sie. Heute morgen war er auf der Bühne. Niemand kann so schnell sein…
    Später wußte sie nicht, ob sie eingeschlafen war oder nur döste, als jemand leise an die Tür klopfte.
    »Perdita?!«
    Es gab nur eine Person, die mit einem Ausrufezeichen flüstern konnte.
    Agnes stand auf und öffnete die Tür nur zwei oder drei Zentimeter weit, um nichts zu riskieren. Christine fiel halb ins Zimmer.
    »Was ist los?«
    »Ich habe Angst!!«
    »Wovor?«
    »Der Spiegel!! Er spricht zu mir!! Kann ich in deinem Zimmer schlafen?!«
    Agnes sah sich um. Zwei stehende Personen genügten, um den kleinen Raum fast auszufüllen.
    »Der Spiegel spricht ?«
    »Ja!!«
    »Bist du sicher?«
    Christine sauste in Agnes’ Bett und verschwand unter der Decke. »Ja!!« lautete ihre unsichere Antwort.
    Agnes stand allein in der Dunkelheit.
    Die Leute nahmen immer an, daß sie mit allem fertig wurde, als ginge Fähigkeit mit Masse einher. Es nützte sicher nichts, »Unsinn, Spiegel sprechen nicht!« zu sagen, zumal die eine Hälfte des Dialogs unter der Bettdecke lag.
    Sie ertastete sich den Weg ins Nebenzimmer und stieß dort mit dem Fuß an das Bett.
    Irgendwo mußte eine Kerze stehen. Agnes’ Hand glitt über das Nachtschränkchen, in der Hoffnung, eine Streichholzschachtel zu entdecken.
    Das matte Glimmen der mitternächtlichen Stadt drang durchs Fenster. Der Spiegel schien zu glühen.
    Agnes setzte sich aufs Bett, das unheilverkündend unter ihr knirschte.
    Nun… ein Bett war so gut wie jedes andere, oder?
    Sie wollte sich gerade hinlegen, als in der Dunkelheit ein Geräusch ertönte. Es klang wie… Ting.
    Eine Stimmgabel.
    Und eine Stimme sagte: »Christine… bitte hör gut zu.«
    Agnes setzte sich auf und starrte in die Finsternis.
    Eine Erkenntnis reifte in ihr heran. Eine der Vorschriften lautete: keine Männer. Darin war man sehr streng, als wäre die Oper eine Art Religion. Für Agnes ergaben sich in dieser Hinsicht keine Probleme, aber für jemanden wie Christine… Es hieß, die Liebe fände immer einen Weg, und das galt vermutlich auch für einige damit verbundene Aktivitäten.
    Lieber Himmel ! Sie spürte, wie sie errötete. In der Dunkelheit! Gab es eine dümmere Reaktion?
    Agnes sah auf ihr bisheriges Leben zurück. Viele Höhepunkte schien es darin nicht zu geben, aber es enthielt zahllose Beispiele für Vernunft und einen guten Charakter. Zweifellos enthielt es mehr Schokolade als Sex. Zwar sah sich Agnes zu einem direkten Vergleich außerstande, aber es schien ihr trotzdem kein fairer Ausgleich zu sein – auch wenn man sich eine Tafel Schokolade so einteilen konnte, daß man den ganzen Tag etwas davon hatte.
    Das gleiche Empfinden wie zu Hause stellte sich ein. Manchmal erreichte das Leben den verzweifelten Punkt, an dem es richtig war, etwas Falsches zu tun.
    Es spielte keine Rolle, welche Richtung man einschlug. Wichtig war nur, daß man sich in Bewegung setzte.
    Agnes griff nach der Bettdecke und

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