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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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sich auch noch. 350 Millionen! Das ist eine ganze Armee, ein komplettes Land, das da durch ihre Eingeweide marschiert - sich ihrer
bemächtigt, auf der Suche nach der Eizelle -, und plötzlich ist es, als könnte
Lori sie sehen, in ihrer
großen, hohlen Magengrube, weiße, schlüpfrige Terroristen, die sich im
Schatten verstecken, bis zum Anbruch der Nacht warten, um dann weiter in andere
Teile ihres Körpers zu kriechen; ihre Kaulquappenschwänze peitschen so schnell,
dass man es kaum mit den Augen verfolgen kann - o Gott, Schluss damit, oder
ich -
    Und da kommt Lilya herein und stellt eine Schüssel vor
Lori hin.
    »Um Himmels willen, was ist das denn?«, hört sie Dad aus
weiter Ferne fragen.
    »Tapiokapudding«, sagt Mom. »Ich hab dir doch von den neuen
Retrodesserts erzählt, weißt du noch?«
    »Retro, allerdings, das hab ich seit zwanzig Jahren nicht
mehr gegessen.« Dad nimmt sich einen Löffel von der weißgrauen Pampe und führt
ihn zum Mund.
    »Es ist ein bisschen dünnflüssig ...«
    »Darf ich aufstehen?«, fragt Lori.
    Sobald sie aus dem Zimmer draußen ist, rennt sie los. Sie
schafft es gerade noch rechtzeitig bis ins Bad. Über die Kloschüssel gebeugt,
klingt ihr Schwester Benedicts Stimme im Ohr: »Bei Gott ist kein Ding unmöglich, doch eines vermag Er nicht - eine
gefallene Jungfrau wieder aufzurichten« - sie sieht
die Nonnen um sich geschart, wie sie ihren dicken Bauch anstarren, sie
schütteln die Köpfe und wispern einander Schlampe zu ...
    Und Mom sagt zwar nicht Schlampe, denkt es aber, und Dad
sagt gar nichts, läuft bloß rot an und geht runter in den Fitnessraum und
macht drei Stunden lang Bankdrücken, und die Frau von der Fernsehproduktion
sagt: Tut mir furchtbar leid, keine
schlampen. Aber sie ist doch keine Schlampe, sie wollte doch nur,
dass er sie mag, er sollte nicht denken, sie wäre frigide oder eine Lesbe! Ihr
Magen tut so weh, die Muskeln da unten heulen auf, und sie heult auch, die
Tränen purzeln in die Kloschüssel wie Kinder von einer Wasserrutsche ins
Becken, und obwohl nichts mehr aus ihr herauskommt, spürt sie weiter die Dinger
in ihrem Bauch! Sie sind immer noch da! Und irgendwo in der Ferne summt die
Sprechanlage, und sie hört Mom und noch wen, murmel, murmel, murmel, und dann
ertönt Moms Stimme: Lorelei!
    Großer Gott, wer ist das denn? Sie schaut in den Spiegel,
sie sieht grauenhaft aus; ihre Augen sind ganz rot und ihre Wangen auch und ihr
Haar ist strähnig, und sie ist über und über verrotzt - Lori!, ruft Mom noch
mal. O nein, ist das etwa die Produzentin? Das ist definitiv die Strafe Gottes,
obwohl, wenn er sie auf die Art bestraft, lässt er sie vielleicht doch nicht
schwanger werden - Komme sofort, ruft sie nach unten und schrubbt sich das
Gesicht unterm Wasserhahn, damit es so aussieht, als hätte sie sich einfach
bloß gewaschen und nicht geweint, und putzt sich die Nase, in die sich etwas
von dem Erbrochenen verirrt hat, legt ein bisschen Lipgloss auf und geht nach
unten.
    Aber es ist nicht die Produzentin und auch nicht die Frau
von der Agentur, sondern ein irrsinnig fetter Junge in einer Schuluniform von
Seabrook. Wenn sie nicht alles täuscht, mustert er sie mit einem ausgesprochen
bösartigen Blick. Mit kalter Stimme, wie die Typen in Falcon Crest, sagt sie: Ja?
    Ich habe eine Botschaft für dich, sagt der fette Junge,
und augenblicklich bleibt Lori das Herz stehen und erstarrt, als hätte ein
Geist seine Hände darum gelegt, noch bevor der fette Junge fortfährt: von
Skippy. Sie schaut zu Mom in der Hoffnung, dass sie sagen wird, Entschuldige,
mein Junge, aber wir essen gerade zu Abend. Aber Mom ist schon wieder im
Esszimmer verschwunden.
    Gehen wir nach oben, sagt sie leise.
    Es gibt fette Menschen, die zwar nicht direkt attraktiv
sind, aber doch irgendwie knuddelig oder quietschvergnügt aussehen können. Zu
der Sorte gehört er nicht. Er tappt ihr hinterher und kommt alsbald ins
Schnaufen. Die Stufen ächzen unter seinen Tritten, und oben angekommen steht
ihm der Schweiß auf der Stirn.
    Sie fuhrt ihn in ihr Zimmer, wo er sich alles genauestens
beguckt, als wäre er noch nie im Zimmer von einem Mädchen gewesen, was
durchaus wahrscheinlich ist. Warst du ein Freund von Daniel?, fragt sie,
streift ihr Haarband ab und schüttelt ihre üppige schwarze Mähne. Ich war sein
Zimmergenosse in der Schule, sagt er und betrachtet dabei die Bilder an der
Wand, die Pferde, Bethani und ihren Freund. Es ist so furchtbar, was mit
ihm passiert ist, sagt sie mit

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