Murray, Paul
Weitläufige Rasenflächen, die zur Linken
in einen Hügel übergehen; zur Rechten kräuselt der Wind den Fluss und zischelt
in den kahlen Bäumen der Allee. Das einzige Gebäude in Sichtweite ist ein
kleiner, steinerner Aussichtspavillon. Sie steuern ihn an und zwängen sich
hinein. Auf dem Fußboden steht eine Inschrift - eine Strophe aus einem Gedicht
von Rupert Brooke:
Wir finden Halt in dem, was nicht vergeht,
In Nacht und Morgen, Freud und Leiden,
In Vogelsang, im Wind, der Wolken weiterweht,
In Schlaf und Freiheit und in braunen Heiden ...
»Schaut mal -«, Henry Lafayette deutet auf den Hügel. Dort
ist jetzt ein hohes Steinkreuz zu sehen, das über der Kuppe emporragt. Sie
steigen hinauf, weniger gesprächig als zuvor; als sie über die Wiese
ausschwärmen, erscheinen sie Howard wieder jünger, wie auf einer Zeitreise in
die Vergangenheit.
Oben angelangt, erwartet sie eine lang gestreckte, von Bäumen
und mit Efeu überwachsenen Säulengängen eingefasste Gartenanlage. Wasser
tröpfelt in die Becken zweier identischer Brunnen, in den Rabatten wachsen Winterrosen.
Von der Stadt um sie her ist nichts mehr zu sehen; sie könnten sich im Park
eines ländlichen Herrenhauses befinden, wären da nicht das turmhohe Kreuz und,
etwa dreißig Meter davor, ein weißer Steinsarkophag.
»Ihre theuren Namen leben ewig fort«, liest
Dewey Fortune von der Seitenwand ab.
»Wessen Namen?«
»Die von den irischen Soldaten, du Spast.«
»Da haben sie aber was falsch geschrieben«, sagt Muiris.
Lucas Rexroth schaudert. »Ganz schön unheimlich hier.« Das ruft einen Chor
schauriger »Huuhuus« hervor;
aber Lucas hat recht.
Der Eishauch in der Luft, der sich auf ihre Stimmen legt,
das nasse Gras und die Einsamkeit, die merkwürdige Losgelöstheit von ihrer
Umgebung, das unerklärliche Gefühl, irgendwo hineingeplatzt
zu sein - sie verleihen dem Park die Atmosphäre einer jenseitigen
Welt: ein Ort, von dem man sich vorstellen könnte, unmittelbar nach einem
grauenhaften Unfall dort aufzuwachen, lang ausgestreckt im Gras. Feuchte
Luftstrudel umtanzen sie; nach und nach verstummt das Geschnatter der Jungs,
sie scharren unbehaglich mit den Füßen, bis aller Augen auf Howard gerichtet
sind. Er wartet einen Moment, will die seltsam singende Stille nicht brechen.
Dann sagt er: »Okay. Die Dubliner Kameraden.« Und erzählt ihnen das, was
Slattery ihm von der >D<-Company erzählt hat - wie sie sich aus den
verschiedenen Rugbyclubs der Schulen zusammengetan und als Freiwillige gemeldet
haben, wie sie, während Robert Graves zitternd in einem Schützengraben in
Frankreich hockte und sich die Ratten vom Hals hielt, in den Brutofen der
Dardanellen verschickt wurden. »Man setzte sie auf der Halbinsel Gallipoli an
Land. Zu Hunderten auf einem winzigen Fleckchen zusammengepfercht, warteten
sie auf Anweisungen. Tag um Tag verstrich; Ruhr, Darmentzündungen und Fieber
brachen aus, über ihnen explodierten unaufhörlich Schrapnells, Verwundete und
Tote wurden vorbeigetragen, riesige Fliegenschwärme von den Leichen
umschwirrten die Lebenden, sodass an Essen und Schlafen kaum zu denken war.
Schließlich erreichte sie der Befehl, zum Kiretch Tepe
Sirt vorzurücken, einem langen Hügelkamm oberhalb der Bucht. Die Männer zogen
in sengender Hitze los, die im Lauf des Tages nur noch unerträglicher wurde.
Man hatte ihnen nicht genug Wasser mitgegeben, und die Türken hatten die Brunnen
vergiftet. Zudem ging ihnen bald die Munition aus, weil sie auch damit nicht
ausreichend versorgt worden waren. Nahe dem Kammgrat gerieten sie in
türkisches Sperrfeuer. Sie ersuchten um Verstärkung, doch es kam keine. Es
wurde so heiß, dass der Stechginster sich entzündete und sie mit ansehen
mussten, wie ihre verwundeten Kameraden bei lebendigem Leib verbrannten.
Die ganze Nacht lang saßen sie auf dem Berg in der Falle
und wurden einer nach dem anderen abgeschossen. Als sie keine Kugeln mehr
hatten, warfen sie Steine. Ein Gefreiter namens Wilkin fing türkische
Handgranaten auf und schleuderte sie zurück - fünf Mal ging es gut, die sechste
Granate explodierte ihm in der Hand. Nachdem sie stundenlang zugesehen hatten,
wie ihre Freunde niedergemetzelt wurden, stürmten die Männer - Ehemalige von
Seabrook, von Clongowes, St. Michael's und anderen Schulen, die bis vor einer
Woche noch nie außer Landes gewesen waren, die meisten jedenfalls, geschweige
denn feindlichen Beschuss erlebt hatten - mit ihren Bajonetten auf die
türkischen Gewehrschützen
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