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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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nicht
ein perfekter Stoff, beispielsweise für eine 140-Jahr-Feier? So perfekt, dass
der kommissarische Direktor über Howards genial unorthodoxe Vorgehensweise
hinwegsieht und ihm gestattet, sein bahnbrechendes Werk mit der ehedem so
widerborstigen Klasse fortzusetzen?
    Am folgenden Morgen ist der Parkplatz gesteckt voll mit
Firmenwagen. Es ist der erste Tag der alljährlichen Rekrutierungsrunde, bei
der Vertreter verschiedener wichtiger Wirtschaftszweige - zumeist Väter von
Seabrook-Schülern und Ehemalige - eigens herkommen und Einzelgespräche mit
Schülern aus den Abschlussklassen führen. Eben solch eine Unterredung hat vor
einem Jahrzehnt für Howard die Weichen Richtung London gestellt. Er sieht Ryan
Connollys Vater noch vor sich, wie er sich, lässig im Stuhl zurückgelehnt,
über Termingeschäfte und die damit verbundenen Traumgewinne verbreitete,
während ihm gegenüber am Tisch Jung-Howard in tiefe Betrachtungen versunken
war: über Ryan Connollys Auto, Ryan Connollys Riesenhaus mit Swimmingpool und
über die exotisch klingenden Reisen nach Disney World, St. Tropez und Antibes,
die Ryan Connolly, Ryan Connollys Dad und Ryan Connollys wahnsinnig scharfe
Mum jedes Jahr unternahmen.
    Im Lehrerzimmer - er setzt gerade Teewasser auf - steht
auf einmal wie aus dem Boden gewachsen Bruder Jonas neben ihm. »Sie haben mich
vielleicht erschreckt«, flachst Howard und greift sich ans Herz. Der kleine
Mann lässt sein Lächeln unerwidert, gönnt Howard nur einen kurzen Blick aus
seinen unendlich tiefen schokoladebraunen Augen. Dann lässt er sich in seinem
sanften Singsang vernehmen: »Greg möchte Sie sprechen.« Damit gleitet er davon
wie ein Geistführer, ohne sich zu vergewissern, ob Howard ihm folgt.
    Ein Rudel aus der Dreizehnten lungert vor dem Aufenthaltsraum
der Oberstufe herum, in dem Tische und Stühle für die Sondierungsgespräche der
Rekrutierungsrunde aufgestellt worden sind. Die Kandidaten tragen Anzüge - die
Schule empfiehlt zu diesem Anlass professionelles Auftreten - in den gleichen
geschmackvoll gedeckten Tönen wie die teuren Schlitten auf dem Parkplatz. Der
Garderobenwechsel stärkt ihr Selbstbewusstsein; an den Türpfosten gelehnt,
schwadronieren sie mit lässigen Handbewegungen über dies und jenes, nun, da
die Zukunft, die für sie vorgesehen ist, sich endlich zeigt. Howard nickt
ihnen im Vorbeigehen knapp zu, und sie nicken zurück, mustern ihn von oben bis
unten, wobei ihnen womöglich zum ersten Mal der wahrlich nicht mehr zeitgemäße
Schnitt seines eigenen Aufzugs ins Auge sticht.
    Der Automator sitzt in seinem Büro hinter dem Schreibtisch
und ist in die Betrachtung einer gerahmten Fotografie seiner Söhne vertieft.
Bruder Jonas schließt hinter Howard und sich die Tür und baut sich in der Ecke
auf, um dort diskret vor sich hin zu schimmern wie ein Kunstgegenstand in einer
Consultingfirma. Das Aquarium blubbert leise.
    »Sie wollten mich sprechen, Greg?«, sagt Howard
schließlich.
    »Das würde ich so nicht sagen, Howard. Nein, so würde ich
es beim besten Willen nicht ausdrücken.« Der Automator stellt die Fotografie
auf den Tisch und fährt sich mit der Hand durchs zerfürchte Gesicht. »Howard,
wissen Sie, wie viele Nachrichten mich heute Morgen hier erwartet haben? Raten
Sie mal.«
Howard
überkommt ein vertrautes, flaues Gefühl. »Ich weiß nicht, Greg. Acht?«
    »Acht.« Der Automator lächelt kläglich. »Acht. Das wäre
schön. Mit acht wären wir vielleicht noch fertig geworden. Die Antwort lautet:
neunundzwanzig. Neunundzwanzig Nachrichten, alle bezüglich Ihres kleinen
Ausflugs. Wobei, damit wir uns richtig verstehen, in keiner davon die Rede ist,
was für eine geniale Idee das doch gewesen sei.«
    Die Glocke läutet zum Unterrichtsbeginn. Howard zuckt unwillkürlich
Richtung Tür - »Dafür ist Sorge getragen«, sagt der Automator bleischwer. Er
rollt auf seinem Stuhl vom Schreibtisch weg und fragt in dem gleichen, dumpfen
Ton: »Sagen Sie, Howard - das ändert natürlich nichts an der Sachlage, nur zur
Klärung für mich -, was haben Sie sich dabei gedacht, mit Ihrer Klasse ohne
Erlaubnis das Schulgelände zu verlassen?«
    »Ich wollte mit ihnen in das Museum gehen, Greg. Ich weiß,
es war etwas unorthodox, aber ich hatte definitiv das Gefühl, es würde ihnen
guttun. Und sie scheinen tatsächlich viel davon mitgenommen zu haben.«
    »Das bezweifle ich nicht«, sagt der Automator. »Lehrer
flippt aus, lässt den Unterricht sausen und spaziert den restlichen Tag

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