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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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sein mag -, verwandelt sich die
allgemeine Apathie in aufkeimendes Interesse. Schultaschen werden aufgeklaubt,
Bücher hastig verstaut, bevor er es sich am Ende anders überlegt.
    Jeekers hebt die Hand: »Machen wir einen Klassenausflug,
Sir?«
    »Ja klar«, sagt Howard. »Genau das.«
    »Aber brauchen wir dazu nicht eine Erlaubnis von unseren
Eltern?«
    »Das klären wir hinterher mit ihnen ab. Wenn irgendwer
nicht mitkommen will, ist das kein Problem. Ihr könnt bis zum Unterrichtsende
in den Studiensaal gehen.«
    »Na, dann Tschüss, du Loser.« Simon Mooney verdreht Jeekers
auf dem Weg zur Tür das Ohr. Das spillerige Bürschchen zaudert, kommt dann
aber hinter seinem Pult hervor, schnappt sich seine Schultasche und flitzt
hinter den anderen her.
    Binnen Sekunden sind die Jungen mit ihren Jacken vom Umkleideraum
wieder da. Einen Finger vor den Lippen - »Wir wollen die anderen Klassen doch
nicht stören« -, führt Howard sie zu Our Lady's Hall, an Kapelle und
Studiensaal vorbei, zu dem gerahmten Streifen Tageslicht in der Doppeltür -
und dann sind sie draußen, sausen wie der Wind über die gewundene Allee zwischen
den Rugbyfeldern und den Kastanienbäumen.
    Am Bahnhof steigen sie in einen Zug Richtung Stadtmitte.
Howard hat sich immer noch nicht entschieden, wo sie eigentlich hinwollen, aber
als sie an Lansdowne Road vorbeifahren, dem Austragungsort internationaler und
schulinterner Rugbyfinalspiele, »Seabrooks zweiter Heimat«, erzählt er den
Jungen, dass binnen Wochen nach Ausbruch des Kriegs Justers Urgroßvater und
Hunderte weiterer Berufstätiger, von denen sich viele später der >D<-Company
anschlossen, Abend für Abend nach der Arbeit zum militärischen Drill im Stadion
antraten. Sie steigen aus, und er führt sie über die Pearse Street um College
Green herum und weiter die Dame Street entlang, die gleiche Strecke wie die der
»Kameraden« bei ihrem triumphalen Verabschiedungszug durch die Stadt.
    Bei der Abkürzung zum Fluss durch das alte Viertel Temple
Bar kommen sie an dem Kino vorbei, vor dem Howard Halley kennengelernt hat.
Diesen Brocken Geschichte behält Howard für sich. Er erinnert sich, wie er mit
ihr zum Flussufer spaziert ist, aber erst als sie die Ha'penny Bridge überqueren
- deren ältliche Konstruktion unter ihren ungeduldigen Tritten ins Schwanken
zu geraten scheint und von der aus sich zu beiden Seiten die Kais der Stadt
erstrecken -, fällt ihm wieder ein, dass sie an dem Tag auch zum Museum wollte
und er ihr versprochen hatte, sie hinzubringen, wozu es aber nicht gekommen
ist, weil er sich stattdessen in sie verliebt und sie in die Hinterhöfe seines
Lebens mitgenommen hat. Jetzt ist er endlich auf dem Weg dahin, aber mit
sechsundzwanzig hormonell geforderten Halbwüchsigen statt mit ihr. Echt
gelungen, Howard.
    Die Jungen steigen den Hügel hinauf, der zu den Toren des
Museumsgeländes führt. Gerry Coveney und Kevin Wong brüllen »Echo!« gegen die
Mauern des großen Innenhofs. Vereinzelte Touristengruppen schlendern über das
Kopfsteinpflaster: massige Amerikaner, die an Rinderhälften erinnern, adrette
Japanerinnen in Schwarz, alle mit Kameras um den Hals. Beim Eingang schart sich
eine Horde Grundschulkinder um einen überfordert wirkenden Mann in einem roten
Pullover. »In einem Museum«, belehrt er sie, »sieht man viele Objekte aus der
Vergangenheit. Wenn wir diese Objekte genau betrachten, finden wir etwas
darüber heraus, was vor langer Zeit geschehen ist...«
    Die Kinder nicken und machen ernste Gesichter. Sie können
nicht viel älter als sechs oder sieben sein; für sie ist alles lange Zeit her.
Aus sicherem Abstand betrachtet ihre Lehrerin die Gruppe mit einer Mischung aus
Zuneigung und Dankbarkeit für ein Augenblickchen Ruhe.
    Howard geht mit den Jungen hinein und wendet sich an den
Mann hinter dem Tresen. »Ich wollte mich mit meiner Klasse hier ein bisschen
umsehen ...«
    »Wir könnten vielleicht eine Führung organisieren, wenn
Sie möchten«, sagt der Museumsangestellte. »Interessieren Sie sich für ein
bestimmtes Gebiet?«
    »Wir behandeln gerade den Ersten Weltkrieg«, sagt Howard.
    Der Angestellte macht ein betrübtes Gesicht. »Es tut mir
leid«, sagt er, »zu dem Thema haben wir im Augenblick eigentlich nichts da.«
    Hinter Howard führt der nunmehr gehetzt wirkende Mann mit
dem roten Pullover die Kinder ins Innere des Museums. »Objekte! Objekte!«,
krähen sie überschwänglich im Gehen.
    »Gar nichts?«, fragt Howard, als wieder Ruhe

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