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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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Feuerräder
geleuchtet haben.
    Strings, hat er gesagt. In die eine Richtung gewellt
werden sie fest, in eine andere Richtung gewellt werden sie zu Licht oder
Atomenergie oder Schwerkraft. Aber in jedem Fall bewegen sie sich in elf Dimensionen. Jeder String ist wie eine
Tanzgruppe, die halb vom Bühnenvorhang verdeckt ist, sodass ein Teil sich in unserer
Welt befindet und der andere in den höheren Dimensionen. Derselbe String, der
ein Quark eines Atoms vom Griff deines Tennisschlägers ausmacht, könnte
gleichzeitig in einem völlig anderen Universum rotieren. Wenn also jeder String über den Schleier hinausreicht, wäre es dann nicht
möglich, von unserer Seite aus über den String eine Botschaft auf die andere
Seite zu schicken?
    Wie wenn man zwei Blechbüchsen mit einem Strick verbindet?,
hat Jeekers gefragt.
    Genau!, hat Ruprecht gesagt. Wenn man es einmal kapiert
hat, ist das Konzept ganz simpel. Es bleibt nur die Frage nach dem Wie. Und da kommt das Quartett ins Spiel.
    In Lodges Buch, so Ruprechts Erklärung, berichteten die
Soldaten aus Summerland, das war ihr Name für das Jenseits, dass sie bestimmte
musikalische Darbietungen aus der Albert Hall hören konnten. »Was sie da
hörten, waren Radioübertragungen«, hat Ruprecht gesagt. »Offenbar verfügen
bestimmte Kombinationen von akustischen Gegebenheiten und Radiofrequenzen über
diese >amphibische< Eigenschaft, die ihnen den Übergang in die höheren
Dimensionen ermöglicht. Nach meiner Theorie muss dabei eine Art Oberwellenresonanz
entstehen. Der Knackpunkt ist demnach, diese amphibischen Frequenzen zu finden.
In der Vergangenheit wurden Menschen als Medien benutzt, die sie intuitiv
witterten. Aber wenn wir den Van-Doren-Wellen-Oszillator einfach neu eichen,
können wir vollständig auf ein Medium verzichten, indem wir unsere akustische
>Botschaft< auf jede nur
denkbare Frequenz übertragen - von denen eine notwendigerweise die
sein muss, die für die Toten vernehmbar ist...«
    Während er noch Ruprechts Ausführungen lauschte, ist Jeekers
zu dem Schluss gekommen, dass Ruprecht endgültig den Durchblick verloren hat.
Seine Experimente waren für Jeekers' Geschmack schon immer ein bisschen abwegig
gewesen, doch bisher hatten sie anerkanntermaßen immerhin ein paar
beflügelnde, wenn auch flüchtige Anknüpfungspunkte an die Realität gehabt. Das
hier jedoch - das war der pure Wahn, weiter nichts.
    Warum, warum, warum also hat er Ja gesagt? Nicht, dass Ruprecht
ihm in den vergangenen Wochen nicht leidgetan hätte, und natürlich findet er es
schrecklich, was mit Skippy passiert ist. Aber wenn er daran denkt, was für
einen Mordsärger sie sich einhandeln werden - und das direkt vor ihren Eltern!
Für Dennis und Geoff ist es okay, bei deren Zeugnissen ist sowieso Hopfen und
Malz verloren. Aber er, Jeekers, setzt seine gesamte Zukunft aufs Spiel. Warum
bloß?
    Doch noch während er sich das fragt, ist ihm die Antwort
klar. Er tut es genau deshalb, weil es sinnlos und idiotisch und völlig aus der
Spur ist. Weil es das ist, was er nie und nimmer tun würde, und weil das, was er tut - sich an die Regeln halten, hart arbeiten, BRAV
sein wie ein Musterknabe -, ihm in letzter Zeit ziemlich hohl vorkommt. Hat
vielleicht was mit Dad zu tun, der dafür gesorgt hat, dass Mr. Fallon gefeuert
worden ist, obwohl Jeekers ihn angefleht hat, es nicht zu tun; oder vielleicht
mit der schleichenden Erkenntnis, dass es der Klassenbeste ist, den Dad lieb
hat, und nicht Jeekers, und dass Dad nicht allzu traurig wäre, wenn er
gekidnappt würde und der Klassenbeste seinen Platz einnähme.
    Sei's drum, hier ist er nun. Und wie er sich so auf der
Bühne umsieht - die anderen drei sind mit ihren Instrumenten schon
einsatzbereit; Geoffs Triangel bebt leicht wie ein Blatt in Erwartung einer
Brise, Dennis feixt, selbst mit dem Fagott am Mund, Ruprecht atmet sehr, sehr
langsam, den Blick auf die hintersten Reihen der Zuschauer geheftet, auf dem
Schoß das verbeulte Waldhorn, bei dessen Anblick es Jeekers immer noch die
Eingeweide umdreht, und schließlich Pater Laughton, der arme, ahnungslose
Pater Laughton, der soeben den Taktstock hebt -, komisch, obwohl Jeekers weiß,
dass Ruprecht falsch liegt und das hier auf keinen Fall funktionieren kann,
trotzdem, in exakt diesem Augenblick - unter den hellen Scheinwerfern,
bibbernd vor Nervosität, umzingelt von Eltern und Patres in der Turnhalle an
diesem Samstagabend - fühlt sich die Wirklichkeit definitiv unwirklich an , und umgekehrt, was

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