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Murray, Paul

Murray, Paul

Titel: Murray, Paul Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Skippy stirbt (Teil 3)
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Barmädchen. »Was
dagegen, wenn ich ...?«
    Howard macht eine nichtssagende Geste mit seiner unverletzten
Hand.
    »Nicht zum Konzert geschafft?«
    »Ausverkauft.«
    »Ja, stimmt, sogar die von uns, die Karten hatten - da kam
nämlich noch spät eine Gruppe Wirtschaftsberater von KPMG, und Greg meinte, ob
es mir was ausmachen würde ... Natürlich nicht, vor allem wenn ich so endlich
mal dazu komme, mir einen Kurzen zu genehmigen, ohne dass meine Holde was davon
weiß - prost.« Beim Anstoßen zuckt Howard zusammen, was wiederum quälende
Stiche durch seinen Arm schickt. »Großer Gott - was ist denn mit Ihrer Hand
passiert?«
»In eine
Mausefalle geraten.«
    »Oh«, sagt Slattery beiläufig. Er nippt an seinem Drink,
lässt die Flüssigkeit im Mund kreisen. »Ich hab gehört, dass Sie in letzter
Zeit ganz schön gezaust worden sind. Nicht nur von den Mäusen.«
    »Nager von der einen oder anderen Sorte«, sagt Howard, sinniert
ein Weilchen und bemerkt dann niedergeschlagen: »Hab ich mir allerdings
größtenteils selbst zuzuschreiben.«
    »Ach, na ja. Das wird schon wieder, ganz bestimmt.«
Howards Erwiderung besteht in einem Grunzen; der Ältere räuspert sich und
wechselt das Thema. »Ich bin neulich auf etwas gestoßen, bei dem ich an Sie
denken musste. Ein Essay von Robert Graves.
>Mammon and the Black Goddess<.«
    »Ah, Graves.« Howard lächelt sarkastisch; seinem Gefühl
nach ist dieser Dichter nicht ganz unschuldig an seiner gegenwärtigen Lage.
»Wie ging es denn weiter mit dem alten Graves?«
    »Tja, den Großteil der Geschichte kennen Sie ja wohl - hat
nach dem Krieg geheiratet, ist nach Wales gezogen, wollte sich auf Dauer
häuslich niederlassen. Hat nicht lange angehalten, wie Sie sich denken können.
Er hat sich dann mit einer Dichterin eingelassen, einer Amerikanerin namens
Laura Riding, und ist mit ihr nach Mallorca, wo sie als seine Muse mit ihm
zusammenlebte. Sie war offenbar vollkommen plemplem. Brannte schließlich mit einem
Iren namens Phibbs durch, wenn ich das richtig in Erinnerung habe.«
    »Schöne Muse«, bemerkt Howard verbittert.
    »Genau genommen passte das gar nicht mal schlecht zu
Graves' Weltbild. Die Muse ist ja eine Verkörperung der Weißen Göttin. Wenn sie
sesshaft wird und mit einem Mann einen Hausstand gründet, verliert sie ihre
besonderen Kräfte. Ist einfach nur noch eine Frau, sozusagen. Dann ist es auch
mit der Dichtkunst vorbei, was für Graves fast ebenso schlimm war wie der Tod.
Wenn sie den Mann aber verlässt, findet er eine andere Muse, die ihn inspiriert,
und der ganze Zirkus geht von vorne los.«
    »Wozu dann überhaupt die Mühe?«, sagt Howard.
    »Es muss wohl unter anderem so etwas wie ein Akt der Buße
gewesen sein. Graves hatte immer unter enormen Schuldgefühlen wegen seiner
Beteiligung am Krieg gelitten - all die Männer, die von seiner Hand gestorben
waren, und die er hatte sterben sehen. Und dann noch sein Sohn David - er ist
in Burma gefallen, im Zweiten Weltkrieg. Graves hatte ihm zum Dienst in der
Armee zugeredet und ihm einen Platz bei den Royal Welch Füsiliers, seinem
alten Regiment, verschafft. Unmittelbar nach dem Tod seines Sohnes begann er
über die Weiße Göttin zu schreiben, diese ganze Chose von wegen Leiden und
Aufopferung im Namen der Dichtung. Versuchte einen Sinn in dem Ganzen zu finden,
auf seine verdrehte Art.«
    Howard sagt nichts; er denkt an Kipling und Ruprecht Van Doren.
    »Aber das Interessante an dem Essay ist Folgendes«, sagt
Slattery. »Gegen Ende seines Lebens lernte Graves einen Sufimystiker kennen,
der ihm von einer anderen Göttin erzählte, einer Schwarzen Göttin. Die Griechen
nannten sie Mutter Nacht. Diese Schwarze Göttin existierte in einem Reich
jenseits der Weißen. Statt Verlangen und Vernichtung repräsentierte sie
Weisheit und Liebe - nicht romantische, sondern wahre Liebe, könnte man sagen,
wechselseitige, beständige Liebe. Von denen, die ihr Leben der Weißen Göttin
und dem endlosen Kreislauf von Zerstörung und Wiederaufbau widmeten, gelangten
einige wenige, wenn sie es denn überlebt hatten, über sie hinaus und zur Schwarzen
Göttin.«
    »Schön für sie«, sagt Howard. »Und was ist mit dem Rest?
Den ganzen Unterbelichteten, die das mit der Transzendenz oder was auch immer
nicht hinkriegen?«
    Slattery verzieht das Gesicht zu einem faltigen Lächeln.
»Graves hielt es für das Beste, sich einen soliden Sinn für Humor zuzulegen.«
    »Einen Sinn für Humor«, wiederholt Howard.
    »Das Leben hält uns

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