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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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brachte, doch Haltung und Ton zeigten unmissverständlich, dass weitere Besuche unerwünscht waren. Indessen, das Geschwader nahm in zwei Tagen Kurs auf Palermo und von dort aus weiter nach Alexandria. Gaetano wurde stündlich erwartet, und Mutters gereizte Stimmung verbot ihr dem Freund ihres Sohnes gegenüber die Höflichkeit nicht. Umso mehr verwunderte es mich, als sie plötzlich Dinge sagte, die ich nicht erwartet hatte, aus ihrem Munde zu hören.
    »Herr Araki, es ist Krieg, und ich bin in Sorge. Gaetano ist für mein Empfinden gar zu kühn. Er ist nicht standhaft, steif wie ein Fels, sondern beweglich und waghalsig. Man schreibt ihm auch die Neigung zu, Gefahren zu unterschätzen.«
    Sie verzog die Lippen, als ob sie über sich selbst lachen wollte.
    »Aber das sind Eigenschaften, die er bereits als Knabe zeigte.«
    »Nun«, erwiderte Saburo lächelnd, »mir kam zu Ohren, er habe früh begonnen, Mut zu beweisen. Und scharfsinnige schnelle Entschlüsse mögen oft mehr bewirken als das methodische standhafte Denken.«
    Mutter, die in hohem Maße die Fähigkeit besaß, Gemütsbewegungen zu verbergen, nickte nur.
    »Gott höre Sie! Aber diese U-Boote machen mir Angst.«
    »Sie sind gefährlich, wenn sie zu nahe an die Schiffe herankommen. Dann vermögen ihre Geschosse große Schäden anzurichten. Deshalb versuchen wir auch, sie nicht heranzulassen.«
    »Ach, gelingt Ihnen das?«
    Er deutete eine Verbeugung an.
    »Ich bitte Sie, uns Vertrauen zu schenken. Wir gehen in Gefechtsformation und schützen die britischen Schiffe, wenn sie wegen der alltäglichen Havarien stoppen müssen.«
    Sie seufzte, bevor sie ein kleines Lächeln zeigte.
    »Wahrscheinlich bin ich grundlos unruhig. Die Phantasien einer Mutter schaden einem Sohn, der sich behaupten muss.«
    »Lady Sforza «, antwortete Saburo, langsam und ernst, »die Befürchtungen einer Mutter entstehen auf dem Grund der Seele, auf heiligem Grund.«
    Sie zupfte nervös an ihrem Kaschmirschal. Ihre Wangen hatten sich leicht gerötet.
    »Sie mögen recht haben. Aber es ist trotzdem sehr dumm von mir. Komm, Cecilia, verabschiede dich von deinem Gast. Du bist blass und solltest dich wieder hinlegen.«
    »Mir geht es schon gut!«, sagte ich ärgerlich, spürte ich doch, dass sie aus verschiedenen Gründen Saburos Besuch verkürzen wollte. Sie hatte bereits nach Paola geklingelt, damit sie mich wieder in mein Zimmer bringe. Indessen, sie unterschätzte mich. Denn als sich Saburo vor mir verbeugte, drehte ich ihr kurz den Rücken zu und formte mit den Lippen ein paar Worte:
    »Morgen. Drei Uhr. In den Barakka Gardens. «
    Er erwiderte meinen Blick. Er hatte verstanden.
    In dieser Nacht schlief ich traumlos und gut, bis das Sonnenlicht in mein Zimmer fiel. Die Schmerzen waren verklungen, das Fieber war gefallen.
    Am Nachmittag ließ ich meine Mutter wissen, dass ich frische Luft brauchte und einen Spaziergang machen würde.
    »Nicht zu lange«, sagte Mutter. »Du bist noch nicht ganz wiederhergestellt.«
    In meinem Zimmer stellte ich mich vor den Spiegel, legte den Schal aus Muschelseide um. Der Schal war so lang, dass ich den kostbaren Stoff mehrmals um meinen Hals schlingen konnte; und immer noch fiel er herab, bis unter meine Knie. Und da – einer plötzlichen Eingebung folgend – nahm ich eine winzige Schere aus meinem Nähkorb, legte den Schal schön flach auf den Tisch und schnitt ihn in der Mitte durch, genau dort, wo sich der Seestern befand. So ausgewogen war das Muster, dass es schien, der Seestern sei absichtlich an dieser Stelle gewoben, als Abschluss und nur zur Hälfte sichtbar. Ich nahm mir vor, den Rand zu vernähen, damit der unwahrscheinlich feine und kostbare Stoff nicht ausfransen konnte. Doch im Moment fehlte mir die Zeit dazu. Ich wickelte die eine Hälfte des Tuches um den Hals, verbarg die andere in meinem Blusenausschnitt. Dann zog ich die Faldetta über. Gerade wollte ich mit Paola das Haus verlassen, als mir Mutter auf der Treppe begegnete. Sie sah mich erstaunt an, und mir stockte der Atem, als sie sagte:
    »Warum trägst du die Faldetta? Wo es draußen doch schon so warm ist!«
    Schon hatte ich die richtige Antwort bereit, drehte ihr mein Profil zu.
    »Die Wunde, hier. Man sieht noch die Kruste ...«
    Das leuchtete meiner Mutter wohl ein.
    »Nur eine halbe Stunde«, sagte sie. »Gaetano kann jeden Augenblick hier sein.«
    Die Upper Barakka Gardens, oberhalb der St. Pauls Bastion, sind abends ein beliebtes Ziel für Spaziergänger, aber um diese

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