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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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teilte. Und so küssten wir uns, als würden wir verdursten und könnten unseren Durst aneinander stillen. Wie leicht der Beginn war! Wie vermählten sich unsere Bewegungen! Was wir taten, geschah wie aus einem uralten Wissen, jede Geste ging mühelos in die andere über, als hätten wir uns schon vor unserer Geburt geliebt, als nähmen wir nur den Faden wieder auf. Ich war neugierig auf diesen Mann, der keinem anderen glich, betrachtete ihn voller Leidenschaft. Ja, Saburo war schön, mit dieser bezaubernden Mischung aus der Wohlerzogenheit von einst und der Ungezwungenheit der heutigen Zeit. Und dieser klare Blick, der furchtbare Dinge gesehen hatte und trotzdem nach wie vor leuchtete, als weigere er sich, das Böse auf Erden wahrzunehmen! Er schien das große Spiel der Verführung, das angeblich jeder Mann beherrscht, nicht zu kennen. Jede Geste war ruhig, sicher, und entsprang einer inneren Ausgewogenheit. Gelassen trotzte er den uns auferlegten Konventionen, ebenso wie ich ihnen trotzte, und wir wussten es beide. Doch wir hatten das Fest des Zeitvergessens erfunden; die Wirklichkeit rückte in weite Ferne. Unsere Wirklichkeit war die Entdeckung unserer Körper, ihre Fähigkeit, Freude zu geben und zu empfangen. Und als wir aus dem Taumel unserer Sinne erwachten, sprach er an meinem Mund jene Worte, die ihm meine Liebe für immer gewannen und mich mein Herz kosteten.
    »Als ich dich zum ersten Mal sah, da stand die Welt für mich still. Ich konnte nichts sagen, nichts denken. Ich wusste nur, dass wir zusammengehören.«
    Er hatte beide Arme um meinen Hals gelegt; ich ließ weich den Kopf auf seine nackte Schulter hängen.
    »Hattest du Angst?«
    »Ja, ich hatte Angst«, erwiderte er schlicht. »Wer fürchtet sich nicht vor der Liebe?«
    »Ich – ich fürchte mich nicht«, sagte ich, mit fester Stimme. Er hielt verwundert inne. Man hatte mir eine bestimmte Art des Benehmens eingepaukt. Ich hatte die Dinge so hingenommen, wie sie nun einmal waren, auch die Vorurteile und Einschränkungen, und hatte bisher ein leichtes Leben gehabt. Doch nun empfand ich, als hätten die anderen mich angelogen, weil auch ich begonnen hatte, mich selbst zu belügen. Erst durch Gaetano ahnte ich das Vorhandensein einer anderen Welt, zerbrechlich und schwer zu fassen, doch gerade in ihrer Zartheit stark: die Welt der geistigen Freiheit. Und wenn auch diese geistige Freiheit unter vielen Zwängen zu ersticken drohte, so war sie doch in mir und prägte mein Denken und Fühlen. In diesem magischen Augenblick entschloss ich mich, nur noch in dieser Welt zu leben. Und so vertauschten wir die Rollen: Ich wurde die Führende, die Besitzergreifende, mit einer Leidenschaft, die vielleicht den Tiefen dieser Insel entsprang, wo tausend Jahre zuvor die Göttinnen die Sterne befragten. Saburos Begehren verwandelte ich in einen von mir gewollten Akt. Ich war die Nehmende, mit gierigem Blick und ungeduldigen Händen. Ich war es, die das Blut meiner verletzten Lippe von seinen Lippen leckte. Ich drängte mich ihm entgegen, und er, von meinem Blick gefangen, war feuchter Ton unter meinen suchenden Fingern. Und ich spürte, dass auch er von der gleichen Leidenschaft erfasst war, von der gleichen Ekstase. Und als wir uns schließlich vereinigten, wusste ich, dass er ein Teil von mir wie auch ich auf ewig ein Teil von ihm geworden war, und nichts im Diesseits oder Jenseits uns trennen konnte. Und noch später, als wir matt und verschwitzt auf dem ausgebreiteten Mantel lagen, noch während mein Bauch und meine Schenkel in reflexartigen Aufwallungen zitterten und Tränen meine Augen verdunkelten, da beugte er ganz tief das Gesicht zu mir hinab und fragte, ich ob ich ihn heiraten wollte. Es war eine Frage, über die ich keine Sekunde nachgedacht hatte, und doch war es genau die Frage, die ich von ihm hören wollte. Zärtlich hob ich beide Hände, zeichnete mit den Fingern die Konturen seiner Augen, seiner Stirn, seiner Wangen nach.
    »Und deine Familie?«
    Ich lag an seiner Brust. Seine Arme hielten mich fest umschlossen.
    »Du weißt«, sagte er, »dass wir Christen sind. Das bedeutet, dass meine Familie die Heirat mit einer Ausländerin eher akzeptieren würde als mit einer traditionell japanischen Frau. Takeo ist fünfzehn Jahre älter als ich und hat mir in vielen Dingen den Vater ersetzt. Er wird Verständnis zeigen.«
    »Und deine Mutter?«
    Jetzt lachte er leise vor sich hin.
    »Sie gibt jungen Mädchen Turnunterricht und gehörte eine Zeit lang sogar

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