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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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der Suffragetten-Partei an.«
    »Oh!«, rief ich interessiert. »Gibt es die auch in Japan?«
    »Gewiss. Sie sagt allerdings, eine echte Frauenrechtlerin ist nicht eine Frau, die ihre Rechte fordert, sondern eine Frau, die ihre Rechte hat.«
    »Sagt sie das wirklich?«
    »Sie sagt es. Und meint es auch so. Und handelt danach. Sie hat vier Kinder großgezogen, sie macht alles gut und richtig. Lass dich nicht über unsere Frauen täuschen, Liebes. Ihr sanftes Lächeln, ihre weiche Stimme bergen Überraschungen. So könnte einzig meine Großmutter Widerstand zeigen. Sie ist eine störrische alte Dame, mit den Vorurteilen ihrer Generation. Da ich aber ihr Lieblingsenkel bin, wird sie dir nicht allzu lange misstrauen. Aber wie steht es bei dir? Was werden deine Eltern sagen?«
    Ich schmiegte mich enger an ihn.
    » Sie werden zu Anfang Moral predigen, mein Vater eine halbe Stunde lang. Meine Mutter wird weinen, als ob die Welt um sie herum zusammenbräche. Vielleicht solltest du zuerst mit Gaetano reden?«
    »Es wird nicht schwierig sein«, erwiderte er lächelnd. »Er ist wie ein Bruder für mich.«
    »Glaubst du, dass ich in Japan leben könnte?«
    »Du könntest überall leben, du bist so fröhlich. Aber ich warte ja bereits auf meinen ersten diplomatischen Posten. Ich werde an Botschaften akkreditiert werden, wo meine Kenntnisse von Nutzen sein können. Wir werden in vielen Ländern leben.«
    Mit Saburo würde ich fortziehen, ihm über das Meer folgen, auf einem großen Dampfer, der mich auf seine Inseln brächte, die so grün und fruchtbar waren wie die meine dürr und gelb. Er kam aus einem Land, von dem ich kaum etwas wusste, ein Land verschwommener poetischer Vorstellungen, wo die Frauen, wie Schmetterlinge gekleidet, in Würde zu sterben wussten, wenn ihr Stolz gekränkt wurde. Welches Schicksal harrte meiner dort? Plötzlich erwachte in mir Liebe für dieses ferne, unbekannte Land. Denn die Herzen auf beiden Seite der Erde waren dieselben, aber das war ein Geheimnis, das viele Menschen nicht wahrhaben wollten, weil sie ihre Herzen gegenseitig noch nicht kennengelernt hatten. Ich sagte mir, dass ein Geheimnis schließlich nichts anderes als Ungewissheit ist. Nur Liebende ahnen, wo es liegt, sie können es finden und aufbrechen, mit all seinem Zauber und seinen Widersprüchen. Ich dachte, dass auch ich dieses Geheimnis finden und besitzen wollte. Mir war, als wäre ich bereits unterwegs durch eine nebel- und sonnendurchglühte, strahlende Welt der Liebe und Träume. Sie war unser Ursprung, unsere Insel, der Ort, wo wir Erfüllung fanden. Gab es eine andere Welt? Es gab keine.

27. Kapitel
    W ir ritten zu den Stallungen, wo die Knechte die Pferde in Empfang nahmen. Dann begleitete mich Saburo in einer Droschke nach Hause. Staubig und zerschunden, wie ich war, ließ sich der Unfall nicht verheimlichen. Obwohl Saburo alle Schuld auf sich nahm, dass er die Natter zu spät gesehen hatte, zeigte sich meine Mutter sehr ungehalten. Sie verordnete mir Bettruhe und gab Saburo zu verstehen, dass fortan mit den Ausflügen Schluss sei. Ich verbrachte eine unruhige Nacht, hatte Schmerzen im Hinterkopf und ein leichtes Fieber. Seltsame Bilder schwebten durch mein Hirn; Traumfetzen stiegen empor, zogen vorbei, schwanden dahin. Paola flößte mir Baldrian ein, stellte das Fläschchen auf die Kommode neben dem Bett, legte den silbernen Löffel behutsam auf den Stöpsel. Statt mich zu beruhigen, verdeutlichte der Baldrian meine Träume. Immer wieder sah ich Saburos Gesicht über mir, spürte das leichte Gewicht seines Körpers auf dem meinen. Wie seltsam, dass mein Liebster ein Ausländer war, den ich arglos und zufällig traf, ein Vertrauter unter vielen Fremden! Wir gehörten zu jenen, die sich liebten, beständig in einer unbeständigen Welt. Es war die erste Nacht, in der es begann, dass ich ihn so nahe fühlte, nahe in mir, in meinem Blut, in meinem Unterleib. Ich war nicht hier, in diesem Bett, sondern weit weg, in einem magischen Traumland, wo wir uns in den Armen hielten, mit leiser Stimme zueinander sprachen.
    Ich schlief bis spät in den Morgen hinein und fühlte mich besser. Am Nachmittag kam Saburo, um nach meinem Befinden zu fragen. Es war schließlich normal, dass er das tat. Mutter empfing ihm im Salon; ich durfte anwesend sein. Ich trug ein schlichtes Hauskleid, weiß, mit schmalen blauen Streifen, und mein Haar war zu zwei ordentlichen Zöpfen geflochten. Mutter bedankte sich liebenswürdig für die Früchte, die er

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