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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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vertrieb meine Unruhe, während ich ihm entgegenlief, diese paar Schritte, seine Hände packte und festhielt.
    »Ach, Fabio, entschuldige! Wir haben eine solche Verspätung! Du hättest im Büro warten sollen, ich hätte dich ja angerufen.«
    Er hob die Schultern mit der amüsiert trägen Bewegung, die mir andeuten sollte, dass er die Sache gut geplant hatte.
    »Das wollte ich ja gerade vermeiden. Offiziell bin ich seit heute Morgen verreist.«
    Er war sehr schlau, und für einen Augenblick fühlte ich mich durch diese Schläue überlistet. Ich konnte ihm aber nicht böse sein. Was er sagte, klang so unverdorben, so rein und natürlich, und er machte dabei das verschmitzte Gesicht eines kleinen Jungen, dem gerade ein guter Streich gelungen ist, dass ich in Lachen ausbrach.
    »Du denkst wirklich an alles!«
    »Meistens.«
    Er zog mich an sich, stürmisch schlang ich beide Arme um seinen Hals, drückte das Gesicht an seine Schulter. Sein Hemdkragen war offen; er roch nach erhitzter Haut, und sein Rasierwasser duftete nach Akazie und Minze, ein starker, prickelnder Geruch, den ich tief in mich einsog. Da war Glück, nichts als Glück, als ich ihn in den Armen hielt, mitten im Gedränge des Flughafens. Ich sah ihm ins Gesicht, durchströmt von heißer Zärtlichkeit. Alles war einfach geworden, die Trennung längst überwunden und vergessen.
    »Ich freue mich! Jetzt haben wir drei Tage nur für uns. «
    Er küsste mich innig, immer wieder, bevor er etwas traurig sagte:
    »Ich hoffe, dass es drei volle Tage werden. Der Arzt will Cosima sehen, bevor er in Urlaub geht. Meine Sekretärin wird mir den Termin mailen. In einer Woche gibt es ja nur noch Touristen in Rom.«
    Fabio, dachte ich, warum musst du mir die Freude verderben?
    Aber wir waren beide erwachsen und machten uns nichts vor. Ich nickte ihm zu, ganz die Verstehende, und er nahm mir die Reisetasche ab, umfasste mich mit seinem freien Arm, während wir zum Ausgang schlenderten. Es war heiß in Rom, ich schlang den Parka achtlos um die Hüften. Fabios Wagen, ein kleiner, unauffälliger Fiat, ein neues Modell allerdings, stand im Parkhaus. Fabio stellte die Tasche in den Kofferraum, hielt mir die Tür auf. Wir fuhren die Rampe empor. Ich sah ihn neben mir, wie er sich den kleinen, nervösen Wagen mit leichter Hand gefügig machte, wie schnell und sicher er sich in den Verkehrsstrom drängte, die andere Fahrspur gewann. Und ich empfand ihn selbst als zugehörig zu dieser Schnelle und Hektik, die Rom eigen war. Manchmal, wenn er in eine Kurve bog, schwankte das Auto, und ich wurde leicht gegen ihn geworfen, spürte seine Schenkel, die schmal und federnd waren. Ich beobachtete sein ebenmäßiges Profil unter dem blonden, fülligen Haar. Dann und wann sah er mich aus den Augenwinkeln an, erwiderte lächelnd meinen Blick. Mein schöner Italiener!
    Inzwischen fuhren wir durch Vorstadtgebiete. Hohe, eintönig hässliche Wohnblöcke säumten die Straßen, die endlos schienen. Vor jeder Ampel staute sich der Verkehr. Ein Flimmern der Hitze lag über den Autodächern. Rom umarmte mich nicht, wie Valletta das tat, sondern breitete sich immer weiter aus, in unübersehbaren Kreisen.
    »Hast du Hunger?«, fragte Fabio.
    Ich wollte antworten: »Ja, Hunger nach dir«, hielt aber die kitschige Bemerkung zurück und sagte stattdessen:
    »Danke, Fabio. Nein, eigentlich nicht. Wir haben im Flugzeug spät gefrühstückt.«
    »Dann fahren wir gleich zum Hotel, wenn es dir recht ist?«
    Ich nickte wortlos. Ich wusste nicht, was ich mit mir anfangen sollte, ich war so verliebt. Inzwischen verließ Fabio die Ausfallstraße, fuhr hinter der Via Condotti mit ihren Prachtläden, erreichte die Piazza Navona. Jetzt endlich wurde Rom sichtbar, Rom mit seinen überlagerten Zeitaltern, seinem morbiden Charme. Marc Aurels Triumphsäule ragte zwischen parkenden Wagen empor. Reisebusse warteten vor dem Pantheon in der gleißenden Hitze. Wir fuhren an ockergelben Fassaden vorbei, an Denkmälern, an verschnörkelten Brunnen. Unter den Säulengängen waren die dämmrigen, kühlen Bars und Cafés voller Leute. Fabio schien sich nicht um Fahrverbote zu scheren. Wir kamen an der Piazza di Spagna vorbei, an den Brunnen mit den grün schimmernden Faunsgesichtern, von Wasserperlen besprüht. Auf der Treppe zur Kirche Trinita’ di Monti verkauften Händler Silberschmuck und exotischen Plunder. Touristen, aufgelöst vor Hitze, studierten den Stadtplan, aßen Eis, fotografierten sich gegenseitig mit dem Handy.

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