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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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eines Tages sein könntest. In zwanzig Jahren vielleicht, wenn du einen dicken Bauch hast und ich in die Wechseljahre komme.«
    Er lächelte.
    »Wie sachlich du bist. Das mag ich so an dir. «
    »Ich habe ja nichts, um dich zu halten«, sagte ich. »Und bin außerdem viel zu eingebildet, um dir eine Szene zu machen. «
    »Ich möchte nicht«, erwiderte er, »dass du meinetwegen traurig bist.«
    Er setzte sich auf den Bettrand, ließ seine Finger durch mein Haar gleiten; ein Schauer, ausgelöst durch seine Berührung, lief über meine Haut. Ich legte den Kopf auf seine Knie, umfasste mit beiden Armen seine Schenkel.
    »Keine Angst«, sagte ich. »Ich schwimme fast täglich, das beruhigt die Nerven und strafft die Figur. Wir Maltesen haben eine Neigung zum Übergewicht. Als verheiratete Frau in Italien würde ich bald zunehmen. Ist Monica fett?«
    Er lachte, aber nicht wirklich von Herzen.
    »Nein, sie ist sehr schlank. Außerdem raucht sie.«
    »Du hast das Rauchen aufgegeben?«
    »Ja, Cosima mag den Geruch nicht. Sie sagt zu mir: ›Mama riecht nach alter Asche.‹ Sie hat oft sehr lustige, sehr phantasievolle Redewendungen. Ach, wie liebe ich dieses Kind!«
    Er seufzte, wandte den Kopf ab. Ich fragte:
    »Wird sie eines Tages gehen können?«
    »Wir bringen sie täglich zur Therapie. Im Augenblick sieht es gut für sie aus. Sie kann schon kleinere Strecken ohne Krücken gehen.«
    Es überkam mich eine solche Rührung, dass ich mich enger an ihn schmiegte. Ich fühlte eine ehrliche, tiefe Hochachtung vor ihm.
    »Ach, Fabio, verzeih mir!«
    »Was verzeihen? Ich kann dir nicht folgen.«
    Ich drückte das Gesicht an seinen Bauch, streichelte seine Schenkel.
    »Mein Gefühle, meine ich. Meine Gefühle zu dir. Vielleicht nehme ich mich zu wichtig?«
    »Es ist doch gut«, sagte er, »wenn wir uns wichtig und ernst nehmen. Vorausgesetzt, dass wir uns selbst Genüge tun. «
    »So, findest du?«
    Er hielt den Kopf gebeugt. Sein leuchtendes Haar fiel über die Stirn, wirr und blond wie Weizen. Ich sah seine Augen, die zu lächeln schienen, aber nicht wirklich lächelten.
    »Du gibst mir meine Jugend zurück, Beata. Ich kann von dir nicht erwarten, dass du mich richtig verstehst.«
    Ich legte beide Arme um seine Hüften, die noch klamm von der Dusche waren. Er ist es, dachte ich, der Zuspruch, Beschwichtigung braucht. Nicht ich.
    »Ich verstehe dich nur zu gut!«, sagte ich leise.
    Stimmte das wirklich? Was hatten wir miteinander zu tun? Ich hatte gesagt, dass ich ihn verstand, ich gab mir Mühe, die Worte mit leidenschaftlicher Hingabe zu wiederholen. Was glaubte ich damit zu erreichen? Begriff ich nicht, dass keine meiner Aufwallungen imstande war, ihn wirklich zu beunruhigen? Ich wusste, dass ich verantwortungslos handelte, weil ich aus dem logischen Kern in mir erkannte, wie unsinnig meine Träume waren. Hatte ich den Einsatz verspielt, zu viele Emotionen investiert? Ich spürte bereits das Gefühl einer Pleite; es gibt keine Romantik, die man aus der Naturwissenschaft ableiten kann.
    »Aber ich liebe dich doch«, sagte Fabio, und das brachte mich endgültig in die Wirklichkeit zurück. Er hatte diesen Satz undeutlich hingesprochen, wie zu sich selbst. Er zeigte eine kindliche Geradheit dabei, seine Augen blickten fest in die meinen. Ich seufzte. Nun, ich hatte keine Wahl.
    »Weißt du«, sagte ich, »Liebe kann man sich abgewöhnen.«
    Er schüttelte leicht den Kopf und blickte zur Seite. Wäre nicht sein klares Gesicht so überaus freundlich und anziehend gewesen, hätte ich die Geduld verloren. Dann hielt er die rechte Hand hoch, schlang seine Finger um die meinen und drückte sie.
    »Es muss doch nicht sein«, erwiderte er lächelnd, bevor er mich in seine Arme hob. Ich küsste ihn, ohne Aufrichtigkeit zunächst, dann mit ausbrechender Leidenschaft. Die Zeit mit ihren Schleiern kam und ging. Ich suchte Zuflucht vor der großen Flut der Stunden.
    Es wurde Abend.
    Als wir uns geduscht und angezogen hatten, sagte ich, Heiterkeit vortäuschend, dass ich ja eigentlich zum Arbeiten da sei, und zeigte ihm die Muschelseide. Auf den ersten Blick war das archaische Muster kaum erkennbar; auch Kunstseide mochte wie Glas glänzen, dieses sanfte, grünliche Leuchten ausstrahlen. Die wunderbare Geschmeidigkeit des Gewebes, diese flockenleichte Wärme, waren nur dann zu spüren, wenn man es in die Finger nahm.
    »Wie teuer wäre heutzutage so ein Schal?«, erkundigte sich Fabio.
    »Weiß ich nicht. Es ist ein Museumsstück. Aber hast

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