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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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sagte ich, »eigentlich glaube ich dir nicht.« Sie antwortete mit unmittelbarem Ernst, tief aufmerksam. »Ich weiß. Und doch ist es wahr.«
    Während ich sie behutsam und genau beobachtete, war mir, als ob durch ihre gleichgültige Gelassenheit hindurch ein verborgener, selbstquälender Schmerz erschiene.
    »Schreibt sie davon in ihrem Tagebuch?«, fragte ich. Wieder klang ihre Antwort sehr vernünftig.
    »Ja. Sie erzählt auch, wie mühsam es für sie war, den Rand zu vernähen, damit sich der Stoff nicht auflöste. Sie hat Seidengarn und eine ganz feine Häkelnadel dazu verwendet.«
    Ich stand still im Zimmer und hörte mein Herz klopfen. In mir wuchs das Verlangen, mehr zu wissen, vielleicht bloß deswegen, weil etwas in Cecilias Wesen steckte, das mir nahe verwandt war. Inzwischen arbeitete Francesca wieder an ihrer Skizze. Ihr mir zugewandtes Profil war ausdruckslos, zeigte überlegene Kühle. Ich hatte rote Wangen vor unterdrückter Erregung.
    »Kann ich ihr Tagebuch mal lesen?«, fragte ich.
    Sie hielt ihre Kreide in der Hand und wandte sich langsam mir zu, sah mir mit einem langen Blick nahezu hochmütig in die Augen. Dabei hatte ich den Eindruck, dass sie sich ganz in sich selbst verschloss. Darin war nur sie, vielleicht Cecilia und sonst noch jemand, von dem ich nichts wusste. Plötzlich zuckte es um ihre Lippen wie leiser Hohn. Sie drehte mir den Rücken zu und sagte:
    »Wenn mir der Sinn danach steht.«
    Am Abend schickte mir Fabio eine E-Mail.
    »Betrifft: Muschelseide.«
    Habe herausgefunden, dass Muschelseide in Sardinien bis Mitte des 20. Jahrhunderts verarbeitet wurde. Die »Edle Steckmuschel« ist heute fast ausgestorben und steht unter Naturschutz. Aber in Cagliari fand ich die Adresse einer ehemaligen Weberin. Sie soll sich noch gut auskennen. Wenn du willst, stelle ich die Verbindung her.«
    Ich tippte sofort ein:
    »Sehen wir uns?«
    Die Antwort erreichte mich nach zwanzig Minuten. »Sonntags gehe ich mit Cosima in den Zoo. Finde einen Wochentag, und ich könnte es einrichten.«
    Der Sonntag gehörte Cosima. Daran war nicht zu rütteln. Früher hatte ich immer gemeint, dass, wenn man etwas nachdrücklich genug haben wollte, man es auch bekam. Nun, Cosima hatte mein Luftschloss zum Platzen gebracht. Gegen Cosima kam ich nicht an. Aber ich wollte Fabio wiedersehen, zu lange schon hatte ich auf ihn verzichtet. Am nächsten Morgen rief ich Annabel im Büro an.
    »Scheinbar ist die Verarbeitung der Muschelseide in den Küstenorten Sardiniens bekannt. Die Muscheln wurden von Tauchern geerntet oder vom Boot aus mit einem speziellen Werkzeug ›gepflückt‹. Ihr Fleisch wurde gegessen, aus dem Perlmutt wurden Messergriffe gefertigt und aus ihren Perlen Mosaiksteinchen. Die Bartfasern sollten gegen Ohrenschmerzen helfen und wurden zur Blutstillung eingesetzt.«
    Annabel zeigte zweckorientierte Geduld.
    »Eine wahrhaft wundertätige Muschel! Hör zu, Beata, wir lassen nicht locker, bevor wir erfahren haben, ob sich die Sache für uns lohnt.«
    »In Cagliari soll eine Frau wohnen, die Muschelseide verarbeitet hat. Willst du, dass ich sie besuche?«
    »Natürlich will ich das. Mach so schnell du kannst ein Treffen mit ihr ab! Melanie bucht dir den Flug.«
    »Ich brauche eine Zwischenlandung in Rom. Ein italienischer Freund will mir helfen, mit der Frau Kontakt aufzunehmen.«
    »Kenne ich ihn?«
    »Fabio Cortoni«, sagte ich kehlig. »Wir haben ihn in Neapel getroffen, erinnerst du dich?«
    » Ach, der schöne Fabio! « Annabel lachte leise, und mir war, als ob sie mich nackt auszog. »Noch zu haben?«, fragte sie nüchtern.
    Ich antwortete ebenso nüchtern.
    »Leider habe ich eine Rivalin. Sein Kind.«
    »Dann ist nichts zu machen, das solltest du wissen.« »Ich weiß es.«
    »Vielleicht wäre es besser, wenn du ihn verlassen würdest. Bevor er dich verlässt.«
    »Ich habe keine Lust, ihn zu verlassen.«
    »Ein wenig früher, ein wenig später, was macht das schon?« »Noch nicht«, sagte ich in bockigem Tonfall. »Ich werde ihn verlassen, aber jetzt noch nicht.«
    »Ja, dann wünsche ich dir ein paar angenehme Tage«, sagte Annabel. Und das war alles. Für Gespräche über die Liebe hatte dieses schönste aller Wesen wenig übrig.
    Ihre Mitarbeiterin Melanie suchte nach einer günstigen Verbindung nach Cagliari. Am Dienstag waren in der Maschine noch Plätze frei. Sie buchte eine Zwischenlandung in Rom. Ich mailte Fabio meine Ankunftszeit und verabredete mich mit ihm am Flughafen.

8. Kapitel
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