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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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einem Augenblick hier sein. Ich ging mir inzwischen die Hände waschen, und als ich zurück kam, saß Francesca in einem der grün bezogenen Sessel, aufrecht mit gestrecktem Rücken. Sie trug rote Hosen, dazu einen Pullover aus grauem Leinen. Sie hielt ihre Zigarettenspitze in der Hand. Unter den schwarzen Brauen funkelten ihre Augen kalt und ein wenig grausam.
    »Es tut mir leid.« Sie wies auf ihre Zigarette. »Ich rieche nach Acryl. Nun, wie war’s auf Sardinien?«
    Während ich die Tassen füllte, Milch, Zucker und Zitrone reichte, erzählte ich von meinem Besuch bei Decima, wobei ich Fabio eine Rolle als »Berater und Organisator« andichtete, die Francesca, im Gegensatz zu meinem Vater, augenblicklich in Zweifel zog. Ich beachtete nicht ihren spöttischen Mund, sprach mühelos weiter, ich konnte es nunmehr. Dabei betrachtete ich sie und bemerkte, dass ihre wachsamen Augen sich verengten. Und als ich von Gaetanos Besuch in der Werkstatt erzählte, wie die Weberinnen ihr Bestes gegeben hatten, wie der Schal zu einem Kunstwerk geworden war, da glaubte ich zu sehen, wie in ihren Pupillen feuchte Fünkchen glänzten. Ihr Gesicht aber blieb unbewegt.
    Ich schaute Francesca an und manchmal auch meinen Vater. Ich meinte, dass zumindest er an der Geschichte zweifeln würde, und räumte ein, dass das alles schwer zu glauben sei, doch ehe ich ausgeredet hatte, merkte ich bereits, dass er alles, was ich sagte, für belegbar hielt.
    »Mein Gott! Hat die Mutter dieser Frau wahrhaftig Gaetano gekannt?«
    » Ich glaube wohl, Ricardo. «
    Francesca hob die Zigarettenspitze an ihre Lippen. »Wie kam sie dazu, dir diese Geschichte zu erzählen?«
    Sie sah dabei ein wenig so aus, als ob sie fröstelte. Ich sprach
    halb zu ihr, halb zu meinem Vater.
    »Das war, als ich ihr den Schal zum Anfassen gab. Sehen konnte sie ihn ja nicht.«
    Während ich erzählte, sah ich die Blinde vor mir, sah ihre kräftigen Hände mit den fast groben Handrücken und den schmaler werdenden Fingern weich und zärtlich über das Tuch streichen.
    »Sie hat sofort entdeckt, dass der Schal einst halbiert wurde.«
    »Das kann ich doch nicht glauben«, sagte Francesca mit fast erschrockener Stimme.
    »Warum nicht?«, fragte ich. »Warum willst du mir nicht glauben? Es ist so.«
    Ich sah in ihr Gesicht, dessen Züge plötzlich alle Unnahbarkeit verloren hatten. Sie war eine Frau, die sich ihr Leben so zurechtgemacht hatte, dass ihr jede Mitteilung über sich selbst Schwierigkeiten bereitete. Vielleicht aber war es nicht das. Neben vielem anderem hatte ich von Decima gelernt, dass das Gewesene wie ein gespannter Faden war, der sich im Dunkel der Zeit verlor. Das Herz der Erinnerung schlug in diesem Dunkel, das unerforschlich blieb. Das Einzige, das uns erreichte, war ein Pulsieren aus dem Jenseits; ein fernes Echo, widerhallend zwischen den Zeiten. Und bestimmt hörte es Francesca ebenso klar, wie es auch mich erreichte. Sie beantwortete jedoch meine Frage nicht, und sie hatte sich schon wieder in der Gewalt.
    »Lassen wir das auf sich beruhen.«
    »Schön«, erwiderte ich, froh, dass kein Drama daraus wurde. Doch sie war noch nicht fertig mit mir.
    »Hat sie Cecilia Vorwürfe deswegen gemacht?«
    Ihre Stimme klang nach wie vor kalt, doch ich spürte dahinter den Schrecken. Draußen erfüllten rosa Schatten die Straße. Auf einem Tischchen standen zwei silberne Handleuchter, spiegel blank geputzt, mit elektrischen Birnen versehen. Mein Vater zündete sie an. Eine ruhige Helligkeit begann, über dem azurblauen Porzellan zu spielen. Sie erleuchteten auch Francescas Gesicht, ließen es weich und verletzlich erscheinen. Ich sah ihre hübsche Stirn, den sich schwarz abzeichnenden Haaransatz, doch ich sah auch die faltige Haut, die hohlen Wangen, den trotzig verkniffenen Mund.
    »Ganz im Gegenteil«, erwiderte ich. »Sie meinte, Cecilia müsse wohl eine vertrauenswürdige Dame gewesen sein.« Francescas welke Lider zuckten.
    »Ach, hat sie das wirklich gesagt?«
    Ich erwiderte fest und voll ihren Blick.
    »Wort für Wort. So, wie ich es dir sage.«
    Sie griff nach einem Aschenbecher und löschte ihre Zigarette. Dann erhob sie sich mit einiger Mühe, indem sie sich auf die Lehnen stützte. Ihre Stimme klang versöhnlich.
    »Danke für den Tee, Beata. Ich will noch Farben mischen, solange genug Tageslicht da ist.«
    Sie verließ den Raum mit leicht unsicheren Schritten. Ich hätte ihr ja geholfen, blieb aber stur sitzen, weil ich mir keinen Rüffel holen wollte. Als

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