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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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umfasste. Er sagte, halb lachend, halb im Ernst.
    »Dass du leicht auf dein Ziel verzichtest, kommt bei dir wohl nicht in Frage?«
    »Ich habe schon genug dieser Art gemacht«, sagte ich und merkte überrascht, wie hart meine Stimme plötzlich klang. »Und solange eine Chance besteht, werde ich sie nicht auslassen.«
    Er missverstand die Anspielung und seufzte.
    »Ach, Beata, wenn es nur von mir abhinge ...«
    Ich spürte durch das Tuch seines Anzugs die Resonanz seiner Stimme in seinem Körper und straffte die Schultern.
    »Wann ist Cosimas Termin beim Arzt?«
    Seine Schulter wich zurück, nur um Fingerbreite zwar, sodass ich mich fragte, ob er diese Bewegung nur gemacht hatte, um eine bequemere Stellung einzunehmen.
    »Morgen um fünfzehn Uhr.«
    »Ein bisschen früh.«
    »Leider, ja. Aber in Rom können wir noch in Ruhe Mittag essen.«
    Ich gab keine Antwort. Das Taxi fuhr langsam, alle Straßen waren voller Menschen und Lärm. Die beleuchteten Lokale warfen ihr Licht nach draußen, schmückten sich mit gewaltigen Knoblauchzöpfen, geräuchertem Schinken, ausgestopften Trophäen von Wildschweinen oder Fasanen. Alle Tische, so schien es, waren besetzt, Kellner rannten mit dampfenden Tellern hin und her. Endlich hielt das Taxi. Während Fabio den Preis mit dem Fahrer aushandelte, stand ich stumm daneben. Auch ich sah nur das, was ich sehen wollte. Es mochte, kam mir in den Sinn, eine Art von Selbstschutz sein.
    Der Ober geleitete uns zu einem Tisch, zündete eine Kerze an und legte uns die Speisekarte vor, die ich lustlos betrachtete. »Such etwas für mich aus«, bat ich Fabio.
    Er ließ sich beraten, wählte bedächtig. Der Kellner brachte Wein, etwas schwerer als am Mittag, danach ein Gericht mit Krebsmousse, Langustinen und leichten Salaten. Alles schmeckte vorzüglich, doch ich aß ohne Appetit. Es war der letzte Abend. Vielleicht hatten wir nichts Gemeinsames mehr, worüber wir reden konnten. Fabio erzählte komische Anekdoten aus der Anwaltspraxis, die mich zum Lachen brachten. Er trank ziemlich viel dabei, sein Gesicht war leicht gerötet. Ich ahnte, wie er sich diese letzte Nacht mit mir vorstellte, bevor er wieder in sein Leben verschwand, sein Leben, in dem ich kaum Platz hatte. Höchste Zeit, dem ein Ende zu setzen, dachte ich mit innerlichem Groll, während meine Lippen heitere Worte sprachen, meine Hände die seinen streichelten. Wir waren ein schönes Paar, ein wenig theatralisch. Wir redeten, aßen, ließen uns nachschenken, wie Schauspieler auf einer Bühne, bis wir, eng umschlungen, das Lokal verließen, uns zum Hotel fahren ließen, unsere Zimmer aufsuchten. Nach wie vor war die Bühne da, die Inszenierung vorgeplant. Die Rollen waren uns auf den Leib geschrieben, wir spielten sie, wie wir sie empfanden, und es wurde eine gute Szene, mit exaktem Bewegungsablauf; selbst der Ausdruck war bis ins Kleinste fixiert, wurde von den Darstellern, die wir waren, perfekt eingehalten. Alle Aktionen gingen nahtlos ineinander über. Nur die Dialoge waren nicht ganz echt, wir mussten ein bisschen schummeln. Die Liebe musste glaubhaft wirken. Es wurde – alles in allem – eine gute Inszenierung. Aufgelöst und hoch getragen, doch nur durch die Kraft der Erinnerung, ließ ich es nicht zu, dass ich mein Bewusstsein löschte, beobachtete uns im Gegenteil noch heller und schärfer als zuvor. Und als ich später im Halbschlaf in Fabios Armen lag, konnte ich mich des Gedankens nicht erwehren, dass sich die Liebe nur so sinnbetörend zeigen konnte, weil sie kurz vor der Schlussszene stand.
    »Fabio?«, sagte ich leise.
    Er lächelte mich an, zärtlich und unbekümmert, küsste meine nackte Schulter.
    »Ja?«
    »Der Anruf bei Decima ... das war nicht die Sprechstundenhilfe.«
    Sein Lächeln verschwand. Er antwortete langsam, den Blick zur Decke gekehrt, wo das Licht der Nachttischlampen rosa Kreise zog.
    »Wie kommst du darauf?«
    »Ich habe eine feine Nase für solche Dinge.«
    Ich lehnte das Gesicht an seine Brust, sah das feine Goldkettchen, das er um den Hals trug, bei jedem seiner Atemzüge glitzern. Vielleicht wäre es besser gewesen, nichts zu sagen.
    »Es gibt jemanden«, sagte er schließlich. »Aber mit dir und mir hat das nichts zu tun.«
    »Und mit Monica?«
    »Mit Monica kann ich nicht darüber reden. Aber denke jetzt bitte nicht, dass es etwas Ernstes ist. Verstehst du, eine Zeit lang ging es Cosima wirklich nicht gut. Ich hatte niemanden mehr, auch mich selbst nicht. Da kam ich mir so hilflos

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