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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Blick«. Schmal, wie es war, schwang es heftig hin und her, als wir einstiegen. Im Boot wartete Wilma, Tonis Katze, ein fuchsrotes Tier mit wunderbar gelben Augen, das sich Tonis Boot als Bleibe und Toni selbst als Versorger ausgesucht hatte. Wilma ließ sich huldvoll streicheln und kniff dabei ihre großen Augen zu. Ich schob sie zur Seite, damit ich mich setzen konnte. Das Boot hatte einen kleinen Außenbordmotor. Toni hob den Deckel des Motorkastens, schraubte die Zündkerze heraus und säuberte sie, ohne die Zigarette aus dem Mundwinkel zu nehmen, wobei er mit dem Taschenmesser gemächlich den Ruß herauskratzte. Dann schraubte er die Kerze wieder ein, warf den Kastendeckel zu und ließ den Motor anspringen, der sofort mit einem kräftigen Tuck-tuck-tuck arbeitete.
    Während Toni das Boot aus dem Hafen steuerte, saß ich am Heck, den Arm um Wilma gelegt, die wohlig schnurrte, und ließ den Blick über das Meer wandern. Toni rauchte unentwegt, der Geruch seiner Zigarette umwehte mich, Wilma schien er nicht zu stören. Die Kalksteinklippen rund um die Bucht hatten eine glatte Oberfläche, die meinen nackten Füßen vertraut war. In den fingergroßen Löchern hausten Krabben und andere kleine Seetiere sowie Seeigel, deren Stacheln schmerzhaft sein konnten. Weil die Sonne prall schien, leuchtete der goldgelbe Sand zwischen den Klippen fast weiß. Noch war er nicht so heiß, dass er unter den Fußsohlen brannte.
    »Früher gab es hier viele Steckmuscheln.« Tonis Stimme hallte weit über das Wasser. »Meine Mutter kaufte sie auf dem Markt. Eigentlich eine ganz gewöhnliche Muschel, nur größer. Das Fleisch war rotbraun und schmeckte in Olivenöl und Knoblauch gebraten am besten. Den Schließmuskel aßen wir auch mit Pfeffer bestreut, ein Leckerbissen!«
    Ich erzählte, dass mein Unternehmen plante, den Byssus zu verwenden. Ich dachte, Toni würde das überspannt finden, doch er schien nicht im Geringsten erstaunt.
    »Alles in der Steckmuschel ist gut. Meine Großmutter webte nicht, aber sie sammelte die Perlen und zerdrückte sie mit einem Mörser. Hatte jemand Kopfschmerzen, löste sie das Pulver in Wasser auf und gab es uns zu trinken. Das half.«
    »Ach, half es wirklich?«
    »Besser jedenfalls als die Tabletten, die wir später in der Apotheke holten«, knurrte Toni.
    Während er sprach, nahm er Kurs auf den Island Point, der durch Luftspiegelungen verzerrt wurde. Die neuen Hotels waren einheitlich gebaut und verunstalteten kaum die Küste. Ich legte die Hand über die Augen. Mittags war die Zeit, zu der ich am liebsten tauchte, weil die senkrechten Strahlen die Unterwasserlandschaft gut beleuchteten. Die Überfahrt dauerte knapp eine Viertelstunde. Toni fuhr nahe an die Insel heran, bis wir knapp unter den Felsen waren. Dann stellte er den Motor ab. Das Boot schaukelte in der Dünung. Wilma hielt sich perfekt im Gleichgewicht, ihre samtenen Pfoten leicht gespreizt.
    »Da sind wir«, verkündete Toni. »An dieser Stelle ist das Meer dreißig Meter tief. Aber du brauchst nicht so tief zu gehen. Du wirst schon sehen, das Seegras wächst am Hang.«
    Meine Schwimmflossen trug ich bereits. Ich setzte die Taucherbrille auf, nachdem ich diese mit etwas Spucke gewischt hatte, der alte Trick war immer noch gut. Aufmerksam blickte ich ins ruhige Wasser und sah neben mir Wilmas Spiegelbild, die das Gleiche tat. Ich nickte ihr zu.
    » Gut, ich tauche hier. Kommst du mit? «
    Wilma deutete einen taktischen Rückzug an. Lachend schwang ich mich über den Bootsrand und ließ mich ins Wasser gleiten. Toni und Wilma sahen zu, wie ich mich eine Weile am Bootsrand festhielt und Luft einsog, bevor ich kopfüber in die Tiefe schoss. Das Ufer der Insel fiel schnell ab, und das Meer im Schatten leuchtete dunkelgrün. Ich tauchte tiefer. Die Klippen stiegen wie ein Gebirge empor, kleine Fischschwärme flitzten vorbei. An den Steinen klebten gurkenförmige Seerosen. Dann, im blauen Licht, sah ich die ersten Halme sich wie Traumbilder bewegen. Ich wusste von Toni, dass die bewachsene Stelle bald in einen Drop-off, einen Steilabfall, überging, wo ich keine Chance mehr hatte, die Muscheln zu finden. Die Luftblasen, die ich selbst auslöste, gurgelten in meinen Ohren. Die Sicht war gut; nur nach starken Regenfällen konnten Auswaschungen von der Insel das Wasser trüben. Da entdeckte ich, zwischen den Gräsern, einige dunkle Formen, die mich an offene kleine Mäuler denken ließen. Da waren sie, die Steckmuscheln! Im Grunde handelte es sich

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