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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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rotem Klatschmohn bedruckt. Eine kleine Frau, erfüllt von einer großen, konfusen Vitalität. Ihr Haar, das sie – wie ich inzwischen von Domenica erfahren hatte – selbst im Waschbecken färbte, glänzte wie frischer Lack. Ihr Mund war sorgfältig geschminkt, ihre Wimpern getuscht. Es war vieles in ihr, das der Bewunderung wert war. Ich fand, dass sie große Zähigkeit bewies und sogar eine Art von Heroismus. Ich lächelte ihr zu, wünschte ihr einen guten Morgen, fand ihren Klatschmohn chic. Francesca antwortete einsilbig und kalt. Sie war nie gesprächig beim Frühstück, an diesem Morgen noch weniger als sonst. Mein Vater begrüßte sie höflich mit den Worten: »Die Eier sind vom Bauernhof«, bevor er wieder in der Zeitung blätterte. Im allgemeinen Schweigen trank ich Kaffee mit heißer Milch, ging dann in mein Zimmer und wählte Annabels Nummer. Sie war schon im Büro.
    »Hast du Zeit?«, fragte ich.
    Ihre Stimme klang heiter.
    »Für dich bringe ich welche auf. Was gibt’s Neues?«
    Ich berichtete, es dauerte eine ganze Weile. Annabel unterbrach mich kein einziges Mal. Leute, die sie nicht kannten, mochten denken, dass sie nicht zuhörte. Ich aber wusste, dass ihr kein Wort entging, dass sie sich konzentrierte und scharf dabei nachdachte.
    Als ich alles gesagt hatte, kam die Antwort in einer halben Sekunde. Annabel verlor nie ihre Zeit mit Floskeln.
    »Ich will jetzt wissen, und zwar bald, ob das Projekt machbar ist. Zuerst mal bekomme ich eine Muschel, ja? «
    Ich seufzte innerlich auf.
    »Kannst du haben. Wenn ich eine ausfindig mache.«
    »Das ist dein Problem. Mein Problem ist, dass die Kundinnen die Nase voll von Pashmina haben. Zu billig, zu banal. Die Muschelseide interessiert mich. Ich bin überzeugt, dass sich aus einer aufwändig lancierten Must-Have -Kollektion etwas machen ließe. Nur für eine ausgesuchte Kundschaft zwangsläufig. Die gleichzeitig Werbeträger für unsere Kosmetik würde. Du siehst, was mir vorschwebt?«
    »Vollkommen.«
    »Kann ich mal ein Warenmuster sehen?«
    Sie war zu schnell für mich. Aber schnell, das musste sie ja sein. Ihr Gehalt war dementsprechend.
    »Deine Warenmuster«, erwiderte ich, »liegen hinter Vitrinen in Museen. Ich kann dir nur meinen Schal zeigen ... der eigentlich der Schal meiner Urgroßtante ist.«
    »Ich will nicht wissen, wessen Schal es ist. Schicke ihn mir umgehend. Noch heute, wenn es geht, und zwar per Expresskurier. Unsere Kundennummer hast du ja.«
    Ich rollte die Augen.
    »Annabel, der Schal ist ein Familienstück. Den gebe ich nicht aus der Hand!«
    »Du bist kompliziert«, sagte sie. »Das warst du schon immer. Hör zu, am Montag bin ich in der Schweiz. Ich muss zu einem pharmakologischen Kongress nach Basel. Ich fliege bis Zürich und nehme von dort aus den Zug. Wir können uns in Zürich treffen. Bevor ich mir weiter den Kopf zerbreche, will ich wissen, ob das Ganze überhaupt einen Sinn hat. Ich schicke dir ein elektronisches Ticket. Wie lange dauert der Flug von Malta nach Zürich?«
    »Nur eine Stunde.«
    »Ausgezeichnet. Du kannst am gleichen Abend wieder zurückfliegen oder in Zürich übernachten. Was ist dir lieber?«
    Ich sagte, dass ich übernachten wollte. Ich hatte ja eine Wohnung in Zürich. Als ich das Gespräch beendete, musste ich lachen. Wenn ich die Gedanken an Fabio loswerden wollte, hatte mir Annabel den richtigen Vorwand geliefert. Und jetzt blieben mir noch zwei Tage, um eine Pinna nobilis aus dem Schlamm zu graben.
    Ich machte einige vorbereitende Übungen, holte meinen Wagen aus der Garage und fuhr zur St. Pauls Bay. Da ich Spesen abrechnen konnte, mietete ich ein Motorboot mit einem Tauchguide, den ich kannte. Der alte Toni Pawla tauchte selbst noch, wenn auch nur leichtere Gänge. Er hatte muskulöse Beine, einen mächtigen Oberkörper, und sein Bauchumfang war – trotz seiner Vorliebe für Pizza und Bier – noch eindrucksvoll schmal. Wir umarmten uns, glücklich, einander zu sehen, ich hielt die Luft dabei an. Er hatte ein Faible für starke Zigaretten und rauchte eine äußerst stinkende Sorte. Aber wenn mir jemand helfen konnte, dann er. Ich erklärte ihm also mein Anliegen.
    »Die große Steckmuschel?«
    Toni kaute auf seiner Zigarette und meinte, dass ich im Seegras an der Westspitze der Landzunge wohl noch einige kleinere Exemplare finden könnte.
    Tonis Boot war, wie die meisten einheimischen Boote, blau und türkisfarben gestrichen und trug am Bug ein gemaltes Auge, als Schutz gegen den »bösen

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