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Muschelseide

Muschelseide

Titel: Muschelseide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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dir, Fabio.«
    Ich legte beide Arme um ihn und küsste ihn auf den Mund. Früher, ganz früher, hatte ich ihn ernst genommen, hatte geglaubt, dass sich Glück einfordern ließe, mit einem Versprechen. Aber jetzt nicht mehr. Behutsam und eigentümlich abwesend löste ich mich von ihm, warf die Tasche, die ich auf den Boden gestellt hatte, über die Schulter. Dann stand er da und winkte, und ich winkte zurück, indem ich mich entfernte, die ersten Schritte in eine neue Einsamkeit, an die ich mich wohl gewöhnen würde.

12. Kapitel
    I n Valletta wehte kein Lüftchen. Die mageren, hellroten Inselkatzen dösten auf den Treppenstufen. Das Meer war dunkelblau und ruhig. Während das Taxi mich zurückbrachte, fuhren wir an altmodischen Droschken vorbei, prall gefüllt mit Touristen. Durch das offene Fenster klang das trockene Prasseln der Pferdehufe. Als es fünf wurde, schlugen sämtliche Kirchenglocken die Uhrzeit, während Möwen und Albatrosse über die Dächer wirbelten. Die Fassaden leuchteten wie Bernstein, eng und hoch, ich sah sie mit neuem Blick. Ich war wieder da, ich war zu Hause. Ich kam nicht, wie Francesca, mit Groll im Herzen zurück, sondern mit einem Gefühl der Freiheit. Dieses Gefühl hatte ich bisher nicht gekannt. Mir war, als ob »Il Belt« – die Altstadt – mich willkommen hieß, mich schützend umfasste. Das, was wie Langeweile aussah, wie provinzielle Langeweile, weckte plötzlich in mir eine seltsame und unberührte Zufriedenheit. Es war gut, dass ich mich gelöst hatte, dass nichts an mir hing, nichts mich beschwerte. Ich wollte keine Kompromisse mehr machen, Konzessionen schon gar nicht. Es war schön, heimzukommen. Dass es öde Strecken des Alleinseins geben würde, verstand sich von selbst.
    Im kühlen Zwielicht der Diele stellte ich meine Tasche auf den Marmor und umarmte Domenica, die ihr fröhliches Summen hören ließ. Warum, dachte ich zum hundertsten Mal, hatte man ihr als Kind nicht den erforderlichen kleinen Schnitt gemacht, der die Zunge von dem Knorpel gelöst hätte? Jetzt war sie zu alt, sie wollte nicht mehr. Wir tauschten ein Lächeln.
    »Tee?«, fragte sie.
    »Ja, danke, Domenica, gern. Wo ist mein Vater?«
    Sie machte ein Zeichen. Oben, in seinem Arbeitszimmer. Ich
    stieg die Stufen hinauf. Die Tür war nur angelehnt, aber ich
    klopfte. Man betrat nicht einen Raum, ohne vorher angeklopft
zu haben. Das hatte man mir schon als Kind beigebracht. »Warum sitzt du hinter zugezogenen Vorhängen, Ricardo? « Er saß wie gewohnt vor seinem Schachtisch. Ich umarmte
    ihn kurz, küsste ihn auf die Stirn, bevor ich die Vorhänge einen
    Spalt aufzog und mich ihm gegenüber in den Sessel fallen ließ. »Hast du Tennis gespielt?«
    »Heute Morgen eine halbe Stunde.«
    »Das genügt nicht.«
    »David spielt schlecht. Ich hatte ihn satt.«
    Major David Osborne, sein gelegentlicher Partner beim Tennis, war kürzlich an Krampfadern operiert worden. Seine Beine leisteten ihm auf dem Court schlechte Dienste.
    »Morgen gehe ich mit dir auf den Tennisplatz«, sagte ich.
    Ricardo nickte gleichgültig, die Augen auf das Schachbrett gerichtet. Ich betrachtete das komplizierte Spiel, in das er vertieft war. Er hatte übersehen, dass sein Pferd in Gefahr war. Ich streckte die Hand aus und nahm ihm das Pferd. Ricardo fuhr leicht zusammen, lehnte sich dann zurück, stoßweise lachend.
    »Gut bemerkt!«
    »Doch nur, weil du mich gut unterrichtet hast.«
    »Zu gut vielleicht«, meinte er, aufs Höchste belustigt.
    Domenica brachte alles, was zu einer gepflegten Teestunde benötigt wird: Teekanne mit Blumendekor – Veilchen und Stiefmütterchen –, dazugehörige Tassen, akkurat poliertes Silber, Wasserkessel und gestickte Servietten. Milch, Zitrone, Toast, hausgemachte Kekse, Orangenmarmelade.
    »Was macht Francesca?«, fragte ich Ricardo.
    »Sie ist oben. Sie malt.«
    Ich bat Domenica, ihr mitzuteilen, dass ich wieder da sei und wir Tee trinken wollten. Als sie gegangen war, seufzte Ricardo.
    »Wie schade, dass Francesca nicht so gern Schach spielt wie wir. Sie sieht es als Zeitverschwendung an.«
    »Tatsächlich?«, sagte ich. »Nun, sie hat andere Interessen.« Ricardo nickte vor sich hin.
    »Sie kann manchmal sehr verletzend sein.«
    Vielleicht, weil sie tief und oft verletzt wurde, dachte ich. Die anderen gleich zu Anfang verstören, ihrer Niedertracht den Stachel nehmen, diese Haltung konnte ich verstehen. Aber das sagte ich meinem Vater nicht.
    Domenica kam zurück und meldete, Francesca würde in

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