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Muss ich denn schon wieder verreisen?

Muss ich denn schon wieder verreisen?

Titel: Muss ich denn schon wieder verreisen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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nicht mitmischen, gelegentliche Übernachtung im Knast inbegriffen, aber sonst absolut kompetent und zuverlässig.«
    Ich ließ meinen Blick durch das Wohnzimmer schweifen. »Bleibt denn unterm Strich genug Geld übrig, um das Haus zu halten und dir die Margarine auf der Stulle zu garantieren?«
    »Es reicht sogar noch für eine Einladung zum Abendessen«, sagte sie lachend. »Ich habe nämlich nur am Wochenende Zeit zum Kochen.«
    Seit jenem Tag ist eine Menge Wasser die Spree runtergeflossen, und unsere Freundschaft hat sich gefestigt. Wir sehen uns nicht oft, höchstens einmal im Jahr, und meist bin ich es, die sich in Marsch setzt. Irene hat nur im Winter Zeit zum Verreisen, weil da kein Mensch Blumenzwiebeln in den Boden steckt. Zu dieser Jahreszeit aber bietet mein schwäbisches Domizil wenig Anreize für Besucher. In den geschichtsträchtigen Burgruinen ringsherum, zur Sommerzeit von Touristen überrannt, zieht’s im Winter ganz erbärmlich, und Heidelberg bei Schneetreiben ist auch nicht das Wahre. Umgekehrt ist Berlin im Winter äußerst attraktiv. Sämtliche Theater spielen, eine Ausstellung löst die andere ab, und ein Bummel über den abendlichen Kurfürstendamm ist unterhaltsamer als ein Spaziergang durch die Bad Randersauer Fußgängerzone.
    »Bist du fertig?« tönte es von unten.
    Himmel, nein! Ich hatte total vergessen, daß Irene mich zum Flugplatz bringen wollte. Ich hatte überhaupt vergessen, daß wieder einmal ein Abschied bevorstand. Mußte wohl ein bißchen zu tief in der Erinnerungskiste gegraben haben.
    »Komme gleich!« Ich klappte den Koffer zu, machte ihn wieder auf, weil ich den Kulturbeutel im Bad vergessen hatte, suchte meine Schuhe, mein Ticket, das ich bei meiner Ankunft vorsichtshalber aus der Handtasche genommen hatte, fand es – wie war es da bloß hingekommen? – in der Puppenstube, stopfte es in die Hosentasche, griff nach dem Koffer und polterte die Treppe hinunter. Unten drückte mir Irene ein verschnürtes Paket von Schuhkartongröße in die Hand. »Hier, kannst du mitnehmen.«
    »Danke schön, aber ich kriege im Flieger was zu essen. Oder ist etwas anderes drin?«
    »Na, Blumenzwiebeln, was denn sonst?«

2
    Das war Ende August gewesen. Anfang Oktober rief mich Frau Marquardt an. Hauptberuflich hat sie auch mit Büchern zu tun. Nebenberuflich ›reiseleitet‹ sie – nicht ganz uneigennützig, denn sie liebt ferne Länder, nur stehen die Kosten für einen Trip in exotische Gegenden in einem nicht immer vertretbaren Verhältnis zu ihrem Einkommen. Reiseleiter dagegen müssen nichts bezahlen, sie kriegen noch was dafür. Sie brauchen lediglich Organisationstalent, müssen reden können, diplomatisch sein, und die jeweilige Landessprache zu beherrschen ist vorteilhaft, aber nicht Bedingung.
    Mit Frau Marquardt und einer sehr gemischten Gruppe bildungsbeflissener Touristen war ich schon mal fünf Tage lang durch Rom gezogen, hatte unzählige Kirchen und noch mehr Altertümer besichtigt, mir zwei Blasen gelaufen und nach einem abenteuerlichen Rückflug geschworen, nie wieder an einer Gruppenreise teilzunehmen.
    Zu einer solchen wollte sie mich jedoch erneut überreden. Diesmal nach Israel. Elf Tage quer durchs Land.
    »Ich bin doch nicht lebensmüde«, war das erste, was mir einfiel. »Die schießen sich da unten ja dauernd gegenseitig tot!«
    »Zur Zeit ist es absolut ruhig«, blockte sie ab. »Ich bin gerade erst zurückgekommen, nachdem ich die Reiseroute abgefahren war«
    »Etwa allein?«
    »Natürlich allein, was dachten Sie denn?«
    Das behielt ich lieber für mich. Man kann einer Verrückten schließlich nicht sagen, daß sie verrückt ist. »Ihnen sind wirklich keine zerschossenen Autos, keine Militärkolonnen und keine randalierenden Araber aufgefallen?«
    Sie lachte lauthals los. »Mit Arabern habe ich in einem arabischen Dorf Tee getrunken, Soldaten sind mir nur als Anhalter begegnet, die übers Wochenende nach Hause wollten, und die liegengebliebenen Autos am Straßenrand rosten da schon seit dem Jom-Kippur-Krieg. Sonst noch Fragen?«
    Aber natürlich, eine ganze Menge sogar. Nach ungefähr siebenunddreißig Telefoneinheiten hatte sie mir klargemacht, daß Israel ein interessantes, äußerst friedliches Land ist, das zu bereisen in jedem Fall lohnenswert sei, besonders im November, wenn dort die Sonne scheint, während hier bei uns die Nebelschwaden wallen.
    Zumindest das war ein einleuchtendes Argument. Und auch der frischgepreßte Orangensaft, der angeblich

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