Mut Proben
aus. Da wäre der wortgewandte Alexander Huber, dem viel zum Thema einfällt, seit er mit einem Psychologen eine tiefe Angst-Krise überwunden hat. Der Base-Jumper Baumgartner mit dem Bürstenhaarschnitt, ein, wie er selbst sagt, »Ehrgeizler«, der selten lächelt. Die Extrembergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner mit österreichischem Zungenschlag und strahlendem Lächeln neben ihrem Kollegen, der Legende Reinhold Messner, durch dessen Vollbart von Zeit zu Zeit Sätze wie in Stein gemeißelt tönen. Gegenüber das längste Kinn der Runde, Schumacher, der sein Image als spröder Dauersieger erfolgreich abschüttelt, seit er Unfälle baut. Der Taucher Herbert Nitsch fällt vor allem durch sein Schweigen auf, als würde er auch im Gespräch versuchen, die Luft so lange wie möglich anzuhalten. Die Weisheit einer ganzen Abenteurer-Familie bringt der Psychiater Bertrand Piccard mit: Sein Großvater flog wie er selber Ballon, sein Vater Jacques sank in einer Tauchglocke elf Kilometer tief in den Marianengraben. Reporter Junger, der das blutige Geschäft mit Öl und Diamanten in Afrika recherchierte und anschließend die Stimmung in den Schützengräben Afghanistans, beobachtet seine Gesprächspartner mit stechendem Blick. Schließlich fläzen sich da noch mit gewaltigen Oberschenkeln zwei Skifahrer auf ihren wippenden Stühlen: der Amerikaner Bode Miller, aufgewachsen im Wald ohne fließendes Wasser mit Hippie-Eltern und die wohl größte Pistensau aller Zeiten; und sein etwas nachdenklicherer Kollege Marco Büchel aus Liechtenstein.
Übrigens, kleine Bemerkung am Rande: Das oben skizzierte Gespräch zwischen Eva und dem päpstlichen Inquisitor – darauf möchte ich sicherheitshalber noch einmal hinweisen – hat so nie stattgefunden. Die folgenden Aussagen jedoch entstammen alle tatsächlichen Redebeiträgen unserer Helden; ich habe sie lediglich etwas geordnet.
Liebe Abenteurer, erzählen Sie uns doch von ein paar schönen Momenten in Ihrem Berufsleben, die uns eine Vorstellung geben, warum Sie so viel riskieren.
Kaltenbrunner: »Der Gipfel bedeutet mir sehr viel. Dieses Gefühl, nach all den Strapazen oben zu stehen. Endlose Fernsicht, unzählige Gipfel, ein Berg schöner als der andere. Da verspüre ich eine unbeschreibliche Freiheit, da denke ich, ich hebe ab.« 8
Schumacher: »Locker eine leichte, schöne Rennmaschine fahren, das macht mir Spaß. Es ist ein ganz intensives Gefühl.«
Piccard: »Was ich mag, sind jene Augenblicke, in denen ich vollkommen bewusst, konzentriert und im Wissen um meine Fähigkeiten handle. Das ist eine fast spirituelle Erfahrung.« 9
Huber: »Ich sehe die Wand, gehe hin und steige hinauf. Ohne Ausrüstung, nur mit Kletterschuhen und etwas Magnesium. Das hat etwas Reines, etwas Ursprüngliches. Und natürlich ist es ein unglaublich erhebendes Gefühl, wenn ich zweihundert Meter Luft unter meinen Füßen spüre und dennoch merke: Ich habe das im Griff.«
Junger: »Krieg ist aufregend. Eine Revolution ist sehr aufregend. Und dabei Zeuge sein zu dürfen, ist nicht nur aufregend, sondern für einen Journalisten ein echtes Privileg.«
Miller: »Ich will nur meinen Spaß haben.« 10
Mit dieser Bemerkung sorgt Miller für etwas Unruhe. Der Dreiunddreißigjährige ist ein Ausnahmetalent. Als er einmal kurz nach dem Start einen Ski verlor, ließ er es sich nicht nehmen, den Abfahrtshang auf einem Ski herunterzuwedeln, lässig wie ein Skilehrer und immer noch mit über achtzig Stundenkilometern. Ansonsten ist er weniger für Eleganz bekannt, wie ein Sack hängt er mit dem Hintern knapp über dem Boden. So fährt er durch alle Disziplinen, von Slalom bis Abfahrt, und gewinnt so ziemlich alles. Der Siegerrummel belaste ihn, behauptet Miller, seine Welt seien die Bodenwellen zwischen Start und Ziel, die Momente, bei denen es um die Wurst geht.
Gefährliche Selbstzweifel
Ist es tatsächlich möglich, Momente der Gefahr zu genießen?
Büchel: »Wenn ich mit bis zu hundertfünfzig Stundenkilometern über eine eisige, holprige Piste donnere, dann ist das selten Spaß.« 11
Baumgartner: »Ich habe noch nie Spaß gehabt bei einem Sprung. Du weißt vor keinem Sprung, ob es nicht dein letzter ist.«
Piccard: »Ich hasse Momente, in denen ich denke, das wird böse enden.«
Huber: »Vor jeder anspruchsvollen Free-Solo-Tour bin ich hin- und hergerissen. Ich bin überzeugt, dass ich es kann, aber mich überkommen auch schwarze Gedanken. Es tauchen Bilder vor meinem inneren Auge auf, wie ich einen
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