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Mut Proben

Mut Proben

Titel: Mut Proben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jasner
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panische, kreischende Masse verwandeln – dieses Klischee hat Hollywood befördert. Auch mutieren die wenigsten zu hemmungslosen Egoisten, die nur die eigene Haut retten wollen.
    »Bei Katastrophen werden wir wahnsinnig sozial. Wir tun uns mit Wildfremden zusammen und wollen unbedingt in dieser Gruppe bleiben.« Nachdem die Flugzeuge in die Türme des World Trade Center gekracht waren, herrschte innen »beinahe völlige Stille und riesige Höflichkeit«, berichten Überlebende. Wasserflaschen wurden von unten nach oben gereicht, Gebrechlichen und Behinderten der Vortritt gelassen. Ähnlich nach den Anschlägen im indischen Mumbai: Menschen, die vorher nichts miteinander zu tun hatten und in einem Hotel vom Zufall zusammengeworfen wurden, halfen einander, statt sich nur um sich selbst zu kümmern.
    Allerdings werden in solchen Situationen zwei Sorten von Menschen offenbar: Die einen verfallen in eine »tödliche Lethargie«; sie hören auf, sich zu bewegen, als frören sie ein. Die anderen verwandeln sich in heldenhafte Retter, die mit traumwandlerischer Sicherheit das Richtige tun. Zu welcher Kategorie Sie im Extremfall gehören, können Sie beeinflussen, indem Sie sich vorbereiten.
    Ripley empfiehlt, den eigenen Körper zu trainieren; sein Schicksal in die Hand nehmen zu wollen, Verantwortung nicht abzuschieben; sich im Hotel oder Flugzeug mit den Sicherheitsvorkehrungen vertraut zu machen; an Feuerübungen teilzunehmen – und kontrollierte Atmung bei nahenden Panikattacken: vier Sekunden einatmen, vier Sekunden halten, vier Sekunden ausatmen. Vorteilhaft wäre die eine oder andere Mutprobe: »Wer versteht, wie sein Gehirn unter Stress arbeitet, hat bessere Überlebenschancen.«
    In ungezählten Sitzungen der Homeland Security, der Behörde für den amerikanischen Heimatschutz, lauschte die Reporterin Experten, die besprachen, wie man Katastrophen, vor allem Terrorangriffe, verhindern könne und was im Ernstfall zu tun sei. Dabei ging es fast nur um technische Maßnahmen. Nach ihren Gesprächen mit Menschen, die in Extremsituationen geraten sind, glaubt sie jedoch kaum noch an Sicherheitstechnik und Katastrophenpläne. Die würden den Einzelnen eher dazu verführen, sich vor der Verantwortung zu drücken.
    Sie selbst, sagt sie, mache sich seit ihrer Recherche viel weniger Sorgen als vorher. »Ich habe mehr Vertrauen in meine eigenen Fähigkeiten, mit einer Krise umzugehen – und in die Menschen um mich herum.« 178
    Wer in äußerster Not anderen Menschen hilft, ist nicht zum ersten Mal mutig. Der hat sich schon anderen Herausforderungen gestellt und erlebt, wie bereichernd sie sind. Das muss nicht die Rettung Schiffbrüchiger oder politisch Verfolgter gewesen sein – vielleicht hat er nur einen Abend mit Überraschungsgästen gerettet, weil er Reste aus dem Kühlschrank zu einem faszinierenden, neuen Gericht kombinierte. Vielleicht geht er Auseinandersetzungen mit dem Chef nicht aus dem Weg oder Bergsteigen. Im risikofreudigen Handeln erscheint diesen Menschen nicht das Schreckgespenst möglichen Scheiterns, sondern Sinn und Gewinn.
    Glückspilze sind sich sicher, dass das, was sie tun, gut ist.
    Vor ein paar Jahren geriet mein Fluglehrer Wolf Schneider über Hawaii mit seinem Drachen in ein Lee-Gebiet. Fallwinde drückten ihn plötzlich hinunter, er raste gen Meer, erst kurz über dem Wasser fing sich das Gerät wieder. Nach der Landung fragte er sich: Ist es das wert?
    »Die Antwort lautete Ja, und sie lautet bis heute Ja«, sagt er. »Wenn ich jetzt verunglücke, dann habe ich wenigstens eine Gewissheit: Ich bin vorher geflogen.« 179
    Als der Freikletterer Alexander Huber einmal gefragt wurde, ob er nicht mal darüber nachgedacht habe, als lebenserhaltende Maßnahme mit seinem Sport aufzuhören, antwortet er: »Nie. Das Klettern ist mir zu wichtig. Wenn ich oben ankomme, übertrifft das alles, dann wird der Rest des Lebens egal. Das schafft eine Erinnerung, die so intensiv ist, dass ich diese Situation auch noch in dreißig Jahren glasklar vor mir haben werde. Es kommt mir in meinem Leben nicht nur auf die Lebensjahre an, sondern darauf, dass ich ein erfülltes Leben führe und dass im Buch meiner Erinnerungen etwas drinsteht.« 180
    Die meisten wagemutigen Menschen haben sich mit dem Tod intensiver auseinandergesetzt als sicherheitsfixierte Zeitgenossen. Sie haben erlebt, wie gefahrenträchtige Situationen die Konzentration stärken und die Sinne schärfen. Daraus beziehen sie Lebensfreude. »Ich liebe

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