Mutiert
müssen den Flusslauf verlassen und uns durch den Urwald nach Brás durchschlagen, dort ist der nächste Stützpunkt.«
» Wie weit ist das von hier entfernt?«
» Ich schätze zwanzig bis fünfundzwanzig Kilometer«, antwortete der Cabo. » Aber das Gelände ist unwegsam. Wir werden uns einen Pfad durch den Dschungel bahnen müssen. Die Kerle könnten uns an den ausgetretenen Wegen auflauern.«
» Was wollen die überhaupt von uns? Wir sind doch hier, um den Menschen am Fluss zu helfen.«
Der Cabo atmete tief ein. » Diesen Verbrechern sind die Menschen hier egal. Die sind nur am Profit interessiert und längst keine einzelnen Glücksritter mehr, die sich alleine in diese Wildnis vorwagen. Mittlerweile stecken verbrecherische Organisationen hinter ihnen, und ihre Aktionen hier sind strategisch geplant. Oftmals stehen hohe korrupte Beamte auf ihrer Lohnliste, die sie unterstützen.«
» Und der Gefangene?«
» Ein Cafuzo, er stammt vermutlich aus dieser Gegend, aber er schweigt.«
» Ich möchte mit ihm reden«, antwortete Lila.
» Morgen, jetzt müssen wir uns ausruhen.«
Luisa Behringer, die neben Lila lag und das Gespräch verfolgte, richtete sich von ihrem Lager auf. » Warum ist die Bande überhaupt hier geblieben, wenn an diesem Ort die Krankheit ihren Ursprung genommen hat?«
» Das ist eine verdammt gute Frage«, entgegnete der Cabo. » Es muss schon einen wichtigen Grund haben, dass sie sich dieser Gefahr aussetzen. Schließlich mussten sie damit rechnen, dass jemand kommen wird. Sie haben ihre Spuren beseitigt und das Dorf angezündet, ein Teil von ihnen, so viel ist sicher, hat sich nach Brás abgesetzt. So konnte sich die Krankheit verbreiten. Aber ein Teil der Männer ist hier geblieben. Sie hatten sich nicht infiziert.«
» Was gibt es hier zwischen all den Bäumen und in dieser Wildnis, das die Kerle hier festhält?«
Der Cabo wies in den nahen Wald, doch die Dunkelheit verdeckte seine Geste. » Gold, Diamanten und Bäume«, antwortete er.
Tenente Farraz näherte sich im Schein einer Taschenlampe und ließ sich neben dem Cabo nieder. Er hielt eine Karte in den Händen.
» Machen Sie doch die Lampe aus, Sie verraten uns noch«, zischte Lila.
» Machen Sie sich keine Sorgen, die Kerle wissen genau, wo wir sind, aber sie werden keinen Angriff wagen, so lange es dunkel und unsere Deckung so gut ist«, antwortete der Tenente.
Lila ließ sich zu Boden sinken, während Farraz die kleine Lampe auf die Karte richtete. » Wir befinden uns hier, oberhalb des Lago do Araca«, sagte er zu dem Cabo und wies mit dem Finger auf einen Punkt der Karte. » Wenn wir uns nach Norden wenden, dann stoßen wir auf einen Seitenarm des Flusses.«
Der Cabo folgte dem Fingerzeig. » Der Seitenarm des Flusses reicht etwa drei Kilometer ins Land hinein, er ist um diese Jahreszeit sehr tief, wir werden ihn umgehen müssen.«
» Hier ist ein alter Indiopfad eingezeichnet, er verläuft nach Westen und führt uns an dem Seitenarm vorbei. Ich denke, wir sollten diesen Weg einschlagen und erst später wieder nach Norden einschwenken.«
» Das sind rund fünf Kilometer Umweg«, entgegnete der Cabo, » aber uns bliebt wohl nichts anderes übrig. Wir können den Seitenarm nicht überqueren, er ist breit und tief, und diese Verbrecher haben nun mal unser Schnellboot.«
Tenente Farraz nickte. » Wir brechen unmittelbar nach Sonnenaufgang auf. Für den Marsch durch dieses Gelände werden wir drei bis vier Tage brauchen.«
» Die Kerle werden uns erneut angreifen«, flüsterte der Cabo. » Sie können es sich nicht leisten, uns entkommen zu lassen.«
» Ich weiß«, antwortete der Tenente mit kehliger Stimme.
Lagezentrum der WHO in Genf
Im Strategic Health Operations Center, kurz Shoc-Room genannt, saßen Männer und Frauen hinter Bildschirmen und beobachteten das Geschehen in der Welt. Das Lagezentrum war in einem ehemaligen Kellerkino der WHO eingerichtet worden, und dort wurden in den letzten Tagen Sonderschichten gefahren. Denn neben Alltäglichem wie der Cholera in Westafrika, dem Dengue-Fieber im Norden Südamerikas und den Krim-Kongo-Infektionen in Pakistan oder China hatten es die Mitarbeiter nun auch noch mit dem unbekannten Level- 4 -Virus in Amazonien zu tun, dem sie mittlerweile den Namen Jatapu-Virus gegeben hatten. Fünfzig Epidemiologen, Mediziner, Techniker und Computerspezialisten versahen ihre Schicht und leiteten alle Meldungen, die mit dem Ausbruch der Epidemie am Rio Jatapu in Zusammenhang standen,
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