Mutiert
an den Direktor der Abteilung für ansteckende Infektionskrankheiten weiter. Die Fälle in Belgien und in den Vereinigten Staaten, die als Sekundärinfektionen mit dem Jatapu-Virus eingestuft wurden, hatten Besorgnis erregt. Inzwischen war der gigantische Think Tank aktiviert, und die Institute und Pharmakonzerne der Welt arbeiteten eng mit den Labors der WHO zusammen. Doch bislang lagen noch keine näheren Erkenntnisse über das Virus vor. Bevor es nicht isoliert und bestimmt worden war, würde man nichts weiter tun können, als die Bevölkerung entsprechend aufzuklären und vor dem Risiko einer Infektion zu warnen. Die Vorkommnisse der letzten Tage hatten gezeigt, welche Auswüchse die teilweise panischen und von der Angst getriebenen Überreaktionen der Menschen bereits annahmen. So waren inzwischen nicht nur in Belgien Menschen gestorben, weil niemand den Mut zum Helfen aufgebracht hatte.
Die Situation war weltweit angespannt, auch wenn in den letzten Stunden keine Meldungen über neue Infektionen mehr bekannt geworden waren. Und die Presse, vor allem die Boulevardzeitschriften, heizte die Lage noch an, indem sie unseriöse, reißerische und vollkommen überzogene Leitartikel veröffentlichte, in denen das Ende der Welt prophezeit wurde. Angsterfüllte Patienten, die Symptome einer einfachen Erkältung für das sichere Zeichen einer Jatapu-Infektion hielten, stürmten die Krankenhäuser. So sah sich der Direktor der Abteilung für ansteckende Infektionskrankheiten genötigt, das erste Hyperimmunserum einer Patientin, welche die Infektion überlebt hatte, der Presse als den ersehnten Durchbruch im Kampf gegen das Virus zu offenbaren. Natürlich verschwieg er, dass das Serum wertlos war, sollte es sich tatsächlich um ein Virus handeln, das wie Ebola oder Marburg aus der Familie der Filoviren kam. Er verschwieg auch, dass trotz dieses Serums erst noch einige Monate vergehen würden, bis genügend Impfstoff zur Verfügung stand, um den Kampf mit der Krankheit erfolgreich aufzunehmen. Und natürlich verschwieg er, dass das Sterben im Acampamento dos infectados noch immer anhielt und sich die Zahl der Erkrankten nur deshalb auf 374 verringert hatte, weil jeden Tag durchschnittlich zehn Menschen starben. Dennoch gab es Hoffnung, denn die Zahl der Neuerkrankungen reduzierte sich Tag um Tag. Nur noch zwei bis drei Neuzugänge verzeichnete das Camp nahe der Stadt Urucará. Hatte man die Ausbreitung des Virus tatsächlich gestoppt?
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Cuiabá, Bundesstaat Mato Grosso
Das Klinikum Santa Margarida lag im Norden der Stadt an der Ausfallstraße, die nach Quilombo führte. Es war ein moderner Bau aus grauem Beton und Glas, der mittlerweile deutliche Spuren der Witterung auswies. An den Verstrebungen des Daches über dem Eingang hatte rostiges Wasser seine Spuren hinterlassen, und hier und da war der Beton aufgeplatzt. Doch bislang gab es noch kein Geld für eine Sanierung, da die letzten Arbeiten am Objekt noch nicht einmal drei Jahre zurücklagen. Zagallo warf einen abfälligen Blick auf das marode Gemäuer und dachte bei sich, dass wohl auch hier die Baufirmen horrende Summen für ihre schlampige Arbeit kassiert hatten. Die Korruption lauerte in diesem Land überall. Auch in Cuiabá, wo einflussreiche und mächtige Staatsbeamte regierten und die Gelder der Steuerzahler verschwendeten, um am Ende selbst noch einen guten Schnitt zu machen. Er betrat das Gebäude und wandte sich der Rezeption zu. Hinter der Anmeldung neben dem Eingang versah eine Frau im mittleren Alter ihren Dienst und erklärte ein paar Besuchern den Weg zum Zimmer ihrer Angehörigen. Zagallo wartete geduldig, bis er an der Reihe war, zog seinen Dienstausweis und stellte sich vor. » Ich habe einen Termin bei Doktor Mendoza«, sagte er. Die Frau lächelte freundlich und griff zum Telefonhörer. Zwei Minuten später wurden Zagallo und Falcáo vom Chefarzt der Inneren Abteilung in dessen Büro empfangen. Er bot den beiden Kriminalbeamten Platz an, orderte Kaffee und setzte sich hinter seinen Schreibtisch. Bevor er sich in seinem bequemen Chefsessel zurücklehnte und die Arme vor der Brust verschränkte, gab er seiner Sekretärin Bescheid, dass er in der nächsten halben Stunde nicht gestört werden wollte.
» Also, meine Herren, was führt Sie zu mir?«, sagte er und blickte Zagallo neugierig an.
» Nun«, räusperte sich Zagallo, » es ist ein recht kompliziertes Problem, ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll.«
» Fangen Sie einfach von vorne an,
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