Mutiert
Pessoa, Manaus, Hauptstadt des Bundesstaates Amazonas
Es war unmenschlich heiß. An den mit düsterem Rauputz versehenen Wänden rannen die Wassertropfen herab und sammelten sich auf dem schmutzigen Boden zu dunklen Lachen. Die Wände schwitzten nicht weniger als Paco de la Pace, der mit geöffnetem Hemd auf der hölzernen Liege saß. Der Schweiß lief ihm in Strömen über die Stirn und tropfte auf das schmuddelige Hemd. Paco wollte lieber tot sein, als noch einen weiteren Tag in diesem Loch zu verbringen. Der Trakt für Untersuchungshäftlinge bestand aus acht Zellen, von denen keine größer war als drei auf zwei Meter. Eine gemauerte Liege mit einer Holzauflage, aus der sich bereits die Spreißel lösten, war das einzige Möbelstück. In der Ecke befand sich ein Loch unterhalb des vergitterten Oberlichtes zur Verrichtung der Notdurft, aus dem es so entsetzlich stank, dass sich Paco in den ersten Tagen seiner Haft den Ärmel vom Hemd abriss und vor die Nase hielt. Die Sonne sah er nur durch das vergitterte Oberlicht, doch er war nicht groß genug, um einen Blick in die Freiheit erhaschen zu können. Von seiner anfänglichen Selbstsicherheit und seiner Zuversicht, dem Schicksal entrinnen zu können, war nicht das Geringste übrig geblieben. Dreimal am Tag erhielt er eine Mahlzeit und einen steinernen Krug mit Wasser, das brackig und abgestanden schmeckte. Paco de la Pace war nicht viel mehr als ein zitternder, sinnierender Fleischklops, zerfressen von der Angst und der feuchten, stinkenden Schwüle im berüchtigten Gefängnis Raimundo Vidal Pessoa.
Zusammengesunken wie ein Häufchen Elend starrte er an die gegenüberliegende Wand und verfolgte mit seinen Augen die Tropfen, die Sekunde um Sekunde zu Boden fielen. Als die ehemals wohl grün lackierte Metalltür ächzte und er das Rasseln und Klappern des Schlüssels vernahm, richtete er sich auf. Zwei Wachsoldaten in beigen Hemden betraten die Zelle. Wortlos legten sie ihm Hand- und Fußfesseln an, ehe sie ihn hinaus in den Gang führten. Nur kleine Trippelschritte ermöglichten ihm die Fesseln, doch es war ihm eine Wohltat, endlich seiner Zelle entkommen zu sein, wenn auch nur für kurze Zeit.
Die Wachmänner führten ihn in einen hellen Raum, in dem eine altersschwache Klimaanlage brummend für eine angenehme Kühle sorgte. Hinter einem hohen Pult saßen drei Männer in schwarzen Roben, die ihn mit ernstem Blick musterten, während die Wachmänner Paco zu einem einfachen Holzstuhl führten. Als er Platz nahm, seufzte er. Die drei Männer, Richter vom Bezirksgericht in Manaus, warteten, bis sich die Wachen an der Tür postiert hatten. Als der grauhaarige Richter in der Mitte das Wort an Paco richtete, musste er aufblicken, da sie in erhöhter Position wie auf einer Empore thronten. Paco kam sich klein und verloren vor.
» Paco de la Pace«, sagte der grauhaarige Richter mit einer Stimme, die wie Donnerhall in seinen Ohren dröhnte. » Sie wissen, was Ihnen vorgeworfen wird. Was haben Sie zu den Anschuldigungen zu sagen? Und vergeuden Sie nicht schon wieder unsere Zeit!«
Paco wischte sich mit den gefesselten Händen den Schweiß von der Stirn. » Ich sage alles«, krächzte er. » Alles, was Sie wissen wollen. Ich will nur nicht zurück in meine Zelle. Bitte, das ist alles, was ich will.«
Der Richter blickte seine beiden Beisitzer an. » Wenn Sie uns alles sagen und wir Ihre Angaben überprüft haben, werden Sie in das Staatsgefängnis nach Saó Paulo überstellt, wo man Ihnen den Prozess machen wird. Die Beweise sind erdrückend, richten Sie sich auf eine lange Zeit hinter Gittern ein.«
Paco de la Pace nickte. » Ich sage alles, alles, nur nicht wieder zurück in dieses Loch.«
Der Richter lächelte. » Wir hören Ihnen zu.«
Slidell, nahe White Castle, Louisiana
Rosburn war kurz nach Sonnenaufgang mit dem Helikopter auf dem Flugfeld in Slidell gelandet. Die Vernehmung von Tate war abgeschlossen. Ungeduldig wurde er von Gene erwartet.
» Sind Sie vorangekommen, Rosburn?«, fragte er, als sich der Regierungsbeamte auf die Schreibtischkante setzte und Crawford fragend anblickte.
» Hastings ist uns leider durch die Maschen geschlüpft«, berichtete der FBI -Agent. » Er ist im Ausland, ich befürchte, wir haben keine Möglichkeiten, seiner habhaft zu werden. Dafür hat dieser Tate gesungen. Hastings hat durch seine Verbindungen ein Netzwerk eingerichtet, das weltweit operierte. Seine Verbindungsmänner sitzen in allen Teilen der Welt. Er hat sich die
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