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Mutiert

Mutiert

Titel: Mutiert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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Regenwald gelangt? Und vor allem weswegen? Welchen teuflischen Plan verfolgte Macombie? Sie würde ihn fragen müssen. Als sie den langen, neonlichtdurchfluteten Flur entlangging, schaute sie auf ihre Armbanduhr. Beinahe eine Stunde hatte sie bei Altmann zugebracht und mit ihm gesprochen. Die MedCom stand kurz vor dem Durchbruch – ein Durchbruch, der mit Blut erkauft worden war. Wusste Macombie Bescheid, dann hatte er mit der Sache zu tun. Wenn sie recht überlegte, dann gab es nur zwei Möglichkeiten. Entweder hatte jemand XA 511 aus den Labors gestohlen, ohne um die Instabilität des Virus zu wissen, um am Ende selbst von dem guten Geschäft mit der neuen und schonenden Behandlungsmethode zu profitieren, oder Macombie selbst steckte dahinter. In Brasilien gab es genügend Armut und Elend, und niemand würde danach fragen, wenn sich einige Menschen aus den Slums der Städte für ein paar Dollar als menschliche Versuchskaninchen zur Verfügung stellten. Sie selbst wusste um die Schwierigkeiten bei der Zulassung von Experimenten am lebenden menschlichen Organismus. Die AEC , die amerikanische Ehtikkommission, hatte die Messlatte sehr hoch angelegt. Vor allem, wenn es um gefährliche Mikroorganismen ging. Joanna Kim verlangsamte ihren Schritt. Sie dachte an ihre Unterhaltung mit dem Professor im Q’s am gestrigen Abend. … Engstirnigkeit, unzählige sinnlose Vorschriften und steter Geldmangel sind keine guten Voraussetzungen, wenn man versucht, Dinge voranzutreiben. Wir sind Wissenschaftler, und manchmal gehört es einfach dazu, dass wir Wege gehen, die ins Nichts führen, damit wir unseren Horizont erweitern … Das waren seine Worte gewesen, als sie ihn danach fragte, warum er sich auf seine alten Tage noch einmal verändert und die Stelle bei der MedCom angetreten hatte . Sie blieb stehen. Vor ihr wurde eine Tür geöffnet. Eine junge Frau trat aus dem Raum, schaute sie nur kurz an, grüßte und ging weiter. Ihr wurde flau im Magen. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen, hier in Boulder so ganz allein und vollkommen ohne Rückendeckung aufzukreuzen. Sie merkte, wie sich das flaue Gefühl im Magen verstärkte. Was, wenn der Professor die Infektionswelle in Brasilien zu verantworten hatte, wie würde er reagieren? Würde er die Wahrheit sagen, würde er seine Schuld eingestehen und … würde er sie einfach wieder gehen lassen?
    Der süßliche Duft von Veilchenaroma drang in ihre Nase. Vielleicht war es besser, einfach zu gehen und ihren Verdacht den Behörden mitzuteilen. Macombie stand mit XA 512 kurz vor dem Durchbruch, so hatte Altmann stolz erzählt. Dann würde Macombie sein lang ersehntes Ziel endlich erreichen. Doch wenn sie ihn zur Rede stellte, wäre mit einem Mal alles, wofür er gekämpft hatte und wofür er lebte, verloren. Niemand würde sich seiner annehmen, niemand würde ihm voller Annerkennung auf die Schultern klopfen. Macombie und die MedCom wären erledigt. Er wäre nicht der Mann, der den Krebs besiegte, ganz im Gegenteil, sein Name würde sich ein für alle Mal mit dem Jatapu-Virus verbinden, das mehr als tausend Menschen das Leben gekostet hatte. Als Ungeheuer würde er in die Geschichte eingehen, als Ungeheuer im weißen Kittel und nicht als der strahlende Held und erfolgreiche Forscher, den er so gerne verkörpern würde.
    Das Gefühl in ihrem Magen weitete sich zu einem unangenehmen Druck aus. Ihr Mund wurde trocken. Nein, es war wirklich keine gute Idee, hier aufzukreuzen und den Professor mit der Nase auf seinen Fehler zu stupsen.
    » Guten Tag, Professor Kim«, ertönte eine Stimme in ihrem Rücken. Erschrocken fuhr sie herum, ein spitzer Schrei kam über ihre Lippen.
    » Der Professor möchte Sie sehen«, sagte der bullige, untersetzte Mann, der – sie bemerkte es erst jetzt – schon im Q’s sein aufdringliches Veilchenaroma verströmt hatte.
    » Wer … was … was wollen Sie?«, stammelte Joanna Kim. Ein Impuls durchlief ihren Körper. Der Verstand sagte ihr, dass sie weglaufen sollte, doch noch bevor die Nervenstränge die Meldung an ihre Muskeln weitergegeben hatten, hielt sie der eiserne Griff des Bulligen am Arm umklammert.
    » Ich denke nicht, dass wir den Professor warten lassen sollten«, sagte der Mann.
    Joanna Kim atmete tief ein, bevor sie sich in ihr Schicksal ergab. Sie wusste, dass sie keine Chance hatte, und so ließ sie sich bereitwillig abführen wie eine ertappte Diebin.

62
    Joselándia, Pocone, Bundesstaat Mato Grosso
    Vier Stunden waren vergangen,

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