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Mutter bei die Fische

Mutter bei die Fische

Titel: Mutter bei die Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Matisek
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Schreibtisch und sprach mit gesenkter Stimme. »Bloß nicht! Norbert geht bald in Rente. Der ist jetzt schon am Anschlag. Wenn ich ihn zusätzlich belaste, lässt er sich noch krankschreiben.«
    Falk sparte sich einen Kommentar und zog nur die Augenbrauen nach oben, was Jörn mit einem »Sag jetzt nichts« quittierte. Bevor Falk das Büro des Bürgermeisters verließ, erkundigte er sich noch, wann die nächste Skatrunde stattfand. Er hatte lange nicht mehr mit seinen Freunden zusammengesessen, und im Moment gab es nichts, was er sich sehnlicher wünschte als einen Abend mit Freunden, Bier, Suppe von Silke und blöden Sprüchen. Jörn ging es genauso, und daher versprach er Falk, sich mit Silke und Thies in Verbindung zu setzen und so schnell wie möglich etwas zu verabreden.
    Falk ging hinüber in sein Büro und schloss die Tür. Wahnsinn, dachte er, noch immer in Gedanken bei Norbert, das gibt es bei mir alles nicht: Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, Urlaubs- und Weihnachtsgeld, Betriebsrente. Und plötzlich wurde ihm angst und bange, als er an seine Zukunft dachte. Hatte Gina doch recht? War es unverantwortlich von ihm, sich nicht mehr Gedanken um die Zukunft zu machen? Wie sollte das werden, wenn er alt und krank war? Dieser Gedanke führte ihn wieder zu seinem Vater, der zwar nicht krank war, aber alt und im Zuge dessen sentimentale Anwandlungen hegte. Früher hatte es Harms nicht die Bohne gekümmert, wie weit er von seiner Exfrau, seinem Bruder und seinem Sohn entfernt war. Ein schrecklicher Gedanke durchfuhr Falk. Was, wenn Harms doch krank war? Wenn er gekommen war, weil es mit ihm zu Ende ging? Das würde jedenfalls erklären, warum Harms die weite Reise in die alte Heimat gemacht hatte. War er gekommen, um Abschied zu nehmen? Je länger Falk über diese neue Perspektive nachdachte, desto wahrscheinlicher erschien sie ihm. Sein Vater war vielleicht todkrank und auf seiner letzten Reise! Unter diesen Voraussetzungen war es natürlich undenkbar, ihn zu bitten, so schnell wie möglich abzureisen. Er musste das mit seinem Vater klären, noch heute!
    Falk setzte sich an seinen Schreibtisch und nahm sich das Gastgeberverzeichnis vor. Er wusste nicht, wo Harms abgestiegen war, aber als er ihn getroffen hatte, hatte er an der Bushaltestelle in Richtung Norderende gesessen. Und er hatte gesagt, dass er in einem Hotel wohne. Das schränkte die Möglichkeiten stark ein, denn in der größten Ortschaft von Heisterhoog gab es nur zwei Hotels.
    Falk griff zum Hörer und erkundigte sich zunächst im »Deichgraf«, dem ersten Haus am Platz. Aber dort wohnte kein Harms Thomsen. Auch nicht im »Dünenkieker«, was Falk verwunderte. Also probierte er sein Glück bei den Pensionen in Norderende, doch auch dort kannte man seinen Vater nicht.
    Ãœber eine Stunde später hatte Falk alle Hotels, Pensionen und Gästehäuser abtelefoniert – ein Harms Thomsen war nirgendwo abgestiegen. Falk versuchte es daraufhin in Süderende – mit dem gleichen Ergebnis.
    Falk war ratlos und erschöpft. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es so schwierig war, den berühmten Schriftsteller Harms Thomsen ausfindig zu machen. Schließlich war man viele Jahre stolz darauf gewesen, dass der prominente Heisterhooger in der Welt sein Glück gemacht hatte. Noch heute standen in der größten Buchhandlung der Insel die Werke von Harms im Schaufenster. Harms selbst hatte immer gerne verschwiegen, dass er auf einer kleinen Nordseeinsel geboren worden war, und sich stattdessen lieber auf seine Jugendjahre in Hamburg-Altona berufen, das klang wilder und weniger bourgeois. Und plötzlich fiel es Falk wie Schuppen von den Augen: Harms hatte sicherlich unter falschem Namen eingecheckt, weil er unerkannt bleiben wollte. Also konnte er seinen Vater auf diese Weise nicht ausfindig machen. Er war dazu verdammt zu warten, bis dieser sich wieder bei ihm meldete. Aber wer weiß, wann das sein würde. So lange wollte Falk keinesfalls untätig herumsitzen, die Gefahr, dass Harms in Norderende Grit über den Weg lief, war viel zu groß. Er musste ihn aufstöbern und aus dem Verkehr ziehen – zumindest so lange, bis Harms bereit wäre, die Insel zu verlassen. Warum hatte Grit auch ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt ihren Jahresurlaub genommen?
    Falk beschloss, am Nachmittag auf gut Glück nach Norderende zu fahren und seinen Vater zu

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