Mutter bei die Fische
Gespräch zu verabschieden und zu hoffen, dass Harms in den nächsten Flieger nach New York steigen würde â ohne dass Grit jemals etwas davon mitbekam.
Falk wurde in Tüdersens FuÃgängerzone jäh aus seinen Gedanken gerissen. Denn Grit versperrte ihm den Weg. An ihrem Arm baumelte ein Einkaufskorb, der wie im Film mit Baguette und attraktivem Gemüse vollgepackt war. Sie trug eine pinkfarbene Regenpelerine, die ihr ausnehmend gut stand, und lachte glücklich über das ganze Gesicht.
»Hallo! Du wärst beinahe in mich reingefahren, hast du mich denn nicht gesehen?«, fragte sie und hielt Falks Rad am Lenker fest.
»Oh, Mama«, stotterte Falk überrumpelt, »sorry, ja, nee, ich hab dich echt nicht gesehen.«
Grit runzelte die Stirn. »Du siehst ja schrecklich aus, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?«
Aber Falk war nicht imstande, ihr zu antworten, denn hinter Grits rechter Schulter sah er seinen Vater Harms Thomsen, gebeugt und mit der unvermeidlichen Plastiktüte in einer Hand, die StraÃe überqueren und direkt auf sie zukommen.
12.
»Sag mal, gehtâs dir gut?« Grit sah Falk mit einer Mischung aus Belustigung und Besorgnis an, nachdem er sie beiseitegeschoben hatte.
Kaum hatte Falk seinen Vater, der in Gedanken versunken die StraÃe entlangschlenderte, erblickt, hatte er sein Fahrrad an einen Zaun gelehnt, Grit unsanft am Arm gepackt und auf die Terrasse eines Cafés gezogen. Zu seinem groÃen Glück wurde dort gerade einer der Strandkörbe frei, die an manchen Tischen die Stühle ersetzten und gerade an Schlechtwettertagen eine gute Möglichkeit boten, einen Kaffee im Freien zu trinken, ohne nass zu werden. Falk hatte Grit in den Sitz bugsiert, sich danebengeklemmt und die kleine Markise so tief wie möglich heruntergezogen. Gerade noch rechtzeitig, denn nun schlurfte Harms auf dem Bürgersteig an ihnen vorbei. Er hatte den Blick auf den Boden gerichtet und sah mit seinem gekrümmten Buckel und der alten Plastiktüte in der Hand eher aus wie ein Flaschensammler denn ein berühmter Schriftsteller. Ein Paparazzo würde jetzt ein entlarvendes Foto schieÃen, war Falks erster Gedanke gewesen. Der zweite war: Meine Mutter darf ihn nicht entdecken! Instinktiv quetschte Falk sich so tief in die Ecke des Strandkorbs, dass Grits Blick nach innen und nicht nach auÃen auf die StraÃe gelenkt wurde.
Jetzt schüttelte sie den Kopf. »Man könnte meinen, du wirst verfolgt«, sagte sie und lächelte.
Du weiÃt gar nicht, wie recht du hast, dachte Falk, antwortete ihr aber laut, dass er lediglich spontan mit ihr einen Kaffee trinken wolle. Und da der Strandkorb gerade frei geworden sei, habe er schnell reagieren müssen.
Grit schüttelte noch immer verwundert den Kopf und sah sich nach der Kellnerin um. Falk versuchte unterdessen, Harms nicht aus den Augen zu lassen â allerdings so, dass Grit es nicht bemerkte.
»Einen Chai Latte mit Sojamilch bitte«, bestellte Grit gerade, als Falk Harms in einer Gruppe Jugendlicher verschwinden sah.
»Für mich auch«, sagte er, und erst als Grit ihn ansah, als sei er endgültig übergeschnappt, wurde ihm bewusst, was ihm da eben für ein fataler Fehler unterlaufen war.
»Nein, nein! Entschuldigung«, rief er der Kellnerin nach, die sich zum Glück fragend umdrehte, »lieber einen doppelten Espresso!«
Die junge Frau nickte, und Falk atmete erleichtert auf. Er hasste jede Form von moderner Kaffeevariation. Für ihn sollte ein Kaffee das sein, was er seiner Herkunft oder Bestimmung nach war: ein Espresso, eine Wiener Melange, ein Café au Lait oder eben ein guter deutscher Filterkaffee. Caramel Shots oder Cream Toppings oder andere Kinkerlitzchen, wie sie heute bei jeder drittklassigen Bäckerei, die sich eine Kaffeemaschine leisten konnte, angeboten wurden, verabscheute er zutiefst.
Grit lachte. »Ich habe mich schon gewundert.«
Falk bemühte sich zurückzulächeln. »Ich war einfach in Gedanken.«
Harmsâ gebeugter Rücken tauchte wieder auf. Falk registrierte aus den Augenwinkeln, dass sein Vater nun an der Bushaltestelle stand und den Fahrplan studierte.
»Hat es immer noch mit Gina und dem Heiratsantrag zu tun?«, erkundigte sich Grit liebevoll.
Der Heiratsantrag. Meine Güte, es kam Falk vor, als wäre diese Vollmondnacht Tage, ja sogar Wochen her. Warum musste es in seinem
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