Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mutter bei die Fische

Mutter bei die Fische

Titel: Mutter bei die Fische Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Matisek
Vom Netzwerk:
sein verlorener Sohn einander wiederfanden. Oder auch nicht.

19.
    Der Abend war sehr lang geworden und von einer tragischen Heiterkeit gewesen, die Falk sonst nur aus russischen Romanen, Filmen oder Theaterstücken kannte. Sie hatten alle zusammengesessen – Silke, Thies, Kai, Nille, Jörn, Falk und der Hund, den sie Leika getauft hatten, nach der Hündin, die einsam ins Weltall geschossen worden war –, hatten getrunken, gegessen, gelacht, und es hatte sogar Tränen gegeben. Am Schluss, Nille hatte sich schon längst mit einer Decke in die Bretterbude von Falk verzogen, war Falk über den Strand gewankt, zu seiner Kate, und hatte wehmütig an seinen Vater gedacht. Wie gerne hätte er mit Harms mal so einen unbeschwerten Abend verbracht. Als sie beide neulich zusammengesessen hatten, in seiner Kate, bei Räucherfisch und Bier, war alles so verkrampft gewesen. Falk hatte hinter jeder Frage seines Vaters einen versteckten Vorwurf oder einen Angriff vermutet. Ob sich das bei Kai und Thies mit den Jahren ähnlich schwierig gestalten würde?
    Zunächst hatten die beiden noch lange am Strand gestanden und gestritten. Jedenfalls nahm Silke das an, die zwischen zwei Schnäpsen (»für die Nerven«) immer wieder mal durch das kleine Fenster des Westernforts einen Blick auf ihren Lebensgefährten und dessen Spross geworfen hatte. Schließlich hatten Thies und Kai sich beruhigt und waren nebeneinander am Strand hin und her gegangen. Falk hatte in der Zwischenzeit Bertie angerufen und sich erkundigt, ob der Crew vielleicht ein Hund und ein Boot fehlten.
    Â»Moment«, hatte Bertie gesagt, und dann war es eine Zeitlang still in der Leitung gewesen. Dann war Bertie wieder dran gewesen. Ziemlich kleinlaut. Ȁh, ich weiß nicht, wir haben schon Drehschluss«, hatte er gesagt.
    Â»Was soll das denn heißen? Ihr seid alle vom Set weggegangen und habt den Hund vergessen?« Falk war außer sich gewesen.
    Â»Offensichtlich«, hatte Bertie zugegeben. »Der sollte nur im Hintergrund sein. Mit dem toten Colonel.«
    Â»Mit dem toten … Kannst du mir das bitte erklären?«
    Â»Der Colonel wird in dem Boot erschossen und ist dann tot. Nur sein Hund sitzt noch neben ihm und will nicht weg«, hatte Bertie geduldig erläutert.
    Â»Da war aber kein toter Colonel, als wir das Boot rausgeholt haben.«
    Â»Nee«, Bertie hatte Geduld mit dem Filmlaien gezeigt, »den sieht man ja auch nicht. Die Szene, wo er erschossen wird, war schon abgedreht. Und deshalb haben wir das Boot mit dem Hund angebunden, damit man es in einer anderen Szene im Hintergrund sieht.«
    Â»Und dann seid ihr alle nach Hause gegangen und habt das Boot vergessen. Und nicht bemerkt, dass es abgetrieben wurde«, hatte Falk seinem Kumpel erbost vorgeworfen.
    Der hatte nur geschwiegen.
    Falk hatte Bertie daraufhin mitgeteilt, wo das Boot abzuholen war, den Hund würde er solange in Obhut nehmen.
    Bertie hatte nicht einmal gewusst, wem der Hund gehörte, irgendjemandem vom Team.
    Jörn hatte sich währenddessen darum gekümmert, dass Nille frische Klamotten und einen heißen, starken Kaffee bekam, der langsam wieder Farbe in das Gesicht des Klabautermannes brachte. Nille wiederum war intensiv mit Leika beschäftigt gewesen, hatte sie mit gekochtem Schinken aus Thies’ Kühlschrank gefüttert und sich damit eine Freundin fürs Leben gemacht.
    Silke dagegen hatte schweigend vor sich hin getrunken und geschwiegen. Jörn und Falk waren zu der stillen Übereinkunft gekommen, Silke einfach in Ruhe zu lassen. Offensichtlich war das alles zu viel für sie gewesen.
    Schließlich waren Thies und Kai gemeinsam in das Häuschen gekommen, mit ernsten, aber entspannten Gesichtern. Kai hatte blaugefrorene Lippen gehabt, weil er mit dem nassen Zeug am Körper über eine Stunde in der kühlen Abendseeluft herumgelaufen war. Aber nach einem Kleiderwechsel, mit dicken Socken an den Füßen, einem starken Kaffee und viel Aal mit Brot, Bier und Aquavit hatte auch er wieder einen rosigen Teint bekommen. Über die Vater-Sohn-Geschichte hatte keiner von beiden sprechen wollen, nur über Verena, die vor zwanzig Jahren auf Heisterhoog in der Süderender Strandhalle gejobbt hatte und die Mutter von Kai war. Eine kurze Affäre von Thies. Sie lebte mit Kai in Kiel und wusste nicht, dass Kai vorhatte, seinen echten Vater zu suchen. Sie wäre auch nicht begeistert

Weitere Kostenlose Bücher