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Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition)

Titel: Mutter, wann stirbst du endlich?: Wenn die Pflege der kranken Eltern zur Zerreißprobe wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Rosenberg
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müde und wünsche mir, endlich all das hinter mir lassen zu können. Wie schön muss es sein, irgendwann nur noch für sich selbst und die eigene kleine Familie verantwortlich zu sein.

Kapitel 7
    2010

Mutter, bitte stirb endlich!
    Kaum zu glauben, aber wir wohnen schon über zwei Jahre in unserem Haus. Woche für Woche und Monat für Monat wiederholen sich die gleichen Szenarien bei meinen Eltern. Meine Mutter erinnert immer mehr an eine leere Hülle als an den Menschen, der sie einmal war. Ich frage mich ständig, was sie am Leben erhält. Aber ihr Herz ist stark und schlägt weiter und weiter. Immer wieder hat sie schlechte Tage, dann ist ihr Blutdruck extrem hoch und wir denken, es ginge mit ihr zu Ende. Doch jedes Mal berappelt sie sich wieder. Es ist wie eine Berg- und Talfahrt mit hoher Geschwindigkeit, und ich sehne mich nach einem Ende.
    Es ist Samstagmorgen neun Uhr, und das Telefon klingelt. Mein Herz bleibt für eine Sekunde stehen. Ich laufe los in der Gewissheit, dass Inga am Apparat ist. Zwischenzeitlich bedeutet jedes Klingeln des Telefons am Morgen Aufregung pur. Ist der Anruf wegen Mutter? Ist es jetzt endlich so weit?
    »Ja, hallo!« Das ist eine eher ungewöhnliche Art, mich zu melden. Üblicherweise nenne ich meinen Namen.
    »Wer ist denn da? Bist du das, Martina?«, höre ich meine Schwiegermutter.
    Die Enttäuschung in meiner Stimme ist nicht zu überhören. »Ja! Muss wohl, wenn du mich anrufst«, meckere ich zurück.
    Warum um Himmels willen ruft sie so früh an? Aber ich frage nicht nach, denn es tut mir schon wieder leid, dass ich so unhöflich war. Sie kann ja nichts dafür, dass sie im falschen Moment anruft. Ich versuche eiligst, Schadensbegrenzung zu betreiben, und frage nach ihrem Befinden. Sie ist dankenswerterweise nicht nachtragend und plaudert ein wenig mit mir.
    Nach dem Telefonat besinne ich mich wieder auf meinen Tag und fange an, den Frühstückstisch zu decken. Der Rest der Familie liegt noch faul im Bett. Der Gedanke an meine Eltern lässt mich nicht los. Da leben sie ganz in meiner Nähe und quälen sich durch den Tag. Werden sie mich am Ende noch überleben? Das ewige Warten auf das Unvermeidliche macht mich mürbe. Wann genau stirbt ein Mensch? Und wieso stirbt der eine so früh, während der andere offensichtlich nicht sterben kann, obwohl er gern möchte?
    Seit Monaten warte ich schon auf die Todesnachricht meiner Mutter. Jeden Morgen beim Aufstehen schaue ich verstohlen auf das Telefon. Warum klingelt es nicht? Ist die Pflegerin schon im Schlafzimmer der Eltern gewesen?
    Doch für heute ist klar, es gibt einen weiteren Tag im Leben meiner Mutter. Oder sterben die meisten Menschen tagsüber? Ich hänge weiter meinen Gedanken nach, während im Hintergrund die Kaffeemaschine blubbert. Um mir nicht den Tag zu verderben, verdränge ich schnell alle dunklen Wolken über mir. Heute besuche ich die Eltern nicht. Heute soll ein fröhlicher Tag werden.
    »Frühstück! Alle aufstehen!«, rufe ich durchs Haus. Der fröhliche Tag kann beginnen.
    Völlig überraschend klingelt das Telefon erneut. Inga meldet sich. Schon das Hallo klingt verzweifelt. Instinktiv weiß ich plötzlich: Es ist so weit!
    »Martina!«, sagt sie eindringlich. Sie betont immer besonders das R in meinem Namen. »Kommst du bitte? Deiner Mutter geht es schlecht.«
    Wann ging es ihr in den letzten Jahren mal gut?, denke ich für mich.
    Ich begreife es selbst nicht, aber in mir macht sich ein seltsames Gefühl breit. Empfinde ich womöglich Erleichterung? Freue ich mich etwa? Meine Sinne fahren Achterbahn mit mir. Alles bricht gleichzeitig über mich herein: Erleichterung, Angst, Trauer und Panik.
    »Ja, gut! Ich komme!«, antworte ich monoton.
    Alles dreht sich um mich herum. Meine Mutter macht sich auf den Weg!
    »Jens! Ich muss los zu den Eltern. Mutter geht es nicht gut«, erkläre ich knapp.
    Er weiß genau, jetzt wird er den Tagesablauf organisieren und mir den Rücken freihalten müssen. In den letzten Monaten bin ich oft zu den Eltern gefahren, ohne zu wissen, wie lange es dauern wird und wann ich wieder zurückkommen werde. So wird es auch heute sein. Er fragt nicht, nickt nur und drückt mir einen Kuss auf den Mund. Sein Lächeln, das er mir hinterherschickt, soll mir Mut machen.
    Ich schnappe mir mein Handy und eile zum Auto. Ein paar Minuten später stehe ich in der Wohnung meiner Eltern. Schon unterwegs steigen mir immer wieder die Tränen in die Augen. Ich kämpfe wütend dagegen an, weil ich mich

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