Mutterliebst (German Edition)

die Mitarbeiterin, an die er sich wendet, wenn eine Krise entsteht, wenn ein komplizierter Fall eine verzwickte juristische Lösung erfordert oder wenn ein wichtiger Klient aus Übersee in ein exklusives Restaurant ausgeführt werden muss. Er hinterlässt sogar Streichholzheftchen aus dem Herrenclub, in den er die schnöseligen Junganwälte zum Lunch ausführt, auf ihrem Stuhl. Das ist fast eine Art geheimer Scherz – zumindest so weit es E. Bartletts Sinn für Humor zulässt. Auch wenn er sie im Moment recht wohlwollend betrachtet, so weiß sie doch ganz genau, dass er jede Entschuldigung benutzen wird, um zu verhindern, dass sie in die Bruderschaft derer aufsteigt, die mit einem Penis gesegnet sind. Außerdem hasst E. Bartlett Kinder. Wenn sie in diesem Jahr nicht bereits dreitausendzweihundert Stunden angesammelt und das Recht auf zwei Jahre Urlaub gehabt hätte, dann hätte er sie schon längst fallen gelassen. Sie zündet eine Zigarette an und ignoriert Georgias missbilligenden Blick. „Also gut, lass hören.“
    „Es geht um den Sterns-Fall.“
    „Was ist damit?“ Der Sterns-Fall schließt Danielles größten Klienten ein. Es geht um eine saftige Sammelklage, die hervorragend geeignet ist, der Firma Millionen einzubringen. Das in Kombination mit ihrem fulminanten Sieg im Baines-Fall ist ihr Trumpf im Ärmel in Sachen Partnerschaft. Michael Sterns, der junge Geschäftsführer des Unternehmens, liebt Danielles aggressiven Stil vor Gericht und hat sich bislang geweigert, von irgendeinem der Seniorpartner vertreten zu werden.
    Georgia schaut sie aufmerksam an. „Der Bastard hat den nächsten Stoß eidesstattlicher Aussagen an Matthews übertragen.“
    „Aber das ist doch mein Klient …“, ruft Danielle empört aus. „Ich habe die letzten zwei Jahre damit verbracht, diese Firma zu umwerben …“
    Georgia zuckt die Achseln. „Das stimmt, meine Liebe, aber du bist nur eine einfache Gesellschafterin.“
    Danielle schlägt sich mit der Hand gegen die Stirn. „Gott verdammt.“
    Nur Seniorpartner besitzen das Recht, ihren Namen auf die juristische Fallakte zu setzen. Ihre eigenen Initialen tauchen im Kleingedruckten als zugeteilte Assistentin auf. E. Bartlett fährt nun schon seit über einem Jahr die Meriten für den Sterns-Fall ein. Das und die Tatsache, dass ihre Arbeitsstunden rapide gesunken sind, seit sie sich in Maitland aufhält, lassen ihre Bilanz nur noch durchschnittlich aussehen. Und der Durchschnitt bringt es nie zum Seniorpartner. Panik steigt in ihr auf. Sie kann es sich nicht leisten, dass ihr die Partnerschaft durch die Lappen geht. Sie hat sie sich verdient – ganz zu schweigen davon, dass sie das höhere Einkommen braucht, um Maitlands horrende Kosten zu bezahlen. Wie üblich deckt die Versicherung nur ein mageres Minimum ab, und sie kann den Löwenanteil, der übrig bleibt, keinesfalls mit ihrem Gehalt oder ihren Ersparnissen bestreiten. Außerdem muss sie Max’ zukünftige Kosten bedenken – wie hoch die auch immer sein werden.
    „Das ist nicht alles“, fährt Georgia fort. „Gestern Abend bin ich bis spät im Büro geblieben und dann noch zu Harry’s gegangen, um etwas zu trinken und ein Sandwich zu essen. Du kennst doch den Laden – die ganze Firma versammelt sich vor dem jährlichen Meeting der Partner dort, trinkt einen über den Durst und schwärmt sich gegenseitig vor, wie toll der eigene Kandidat ist.“ Harry’s ist ein hervorragender Treffpunkt für Anwälte. Danielle spürt beinahe die kühle Dunkelheit des Raums, sie sieht die riesige Eichenholzbar mit den messingfarbenen Barhockern vor sich, die endlosen Reihen staubiger Alkoholflaschen und das flackernde Licht der Kerzen auf den Tischen.
    Danielle legt ihre nackten Füße auf den billigen Couchtisch. Sie wünschte, sie wäre auch nur halb so entspannt, wie sie vorgibt zu sein. „Also ist es dieses Jahr genauso wie sonst auch.“
    Georgia runzelt die Stirn. „Ich fürchte, da täuschst du dich. Rate mal, wer sich im Keller aufgehalten hat, ganz abgeschieden und gemütlich?“
    „Wer?“
    „E. Bartlett und Lyman – zwei Schlangen in der Grube.“
    Danielle setzt sich abrupt auf. Mit aufgerissenen Augen schaut sie ihre Freundin an. „Aber das ist unmöglich.“
    Lyman und E. Bartlett sind auf demselben Level in die Firma eingestiegen und seitdem erbitterte Rivalen gewesen. E. Bartlett wurde ein Jahr vor Lyman zum Partner befördert, und das hat Lyman nie vergessen. Die Mühen, die die beiden auf sich nehmen