Mutterliebst (German Edition)
Entscheidung zu treffen.
Die Seniorpartner, die an dem Tisch sitzen, unterscheiden sich nicht so sehr von denen anderer großer Anwaltsfirmen. Sie sind die Machtzentren, die es als selbstverständlich ansehen, dass Untergebene vor ihnen buckeln, während sie selbst astronomische Boni einstreichen. Ihre Mitarbeiter sind die fleißigen Arbeitsbienchen, die unzählige Stunden in die Fälle investieren, die ihnen zugewiesen werden, die die Arbeit erledigen, von der die Seniorpartner dem Klienten gegenüber behauptet haben, dass sie nur von ihnen höchstpersönlich geleistet werde. Daneben gibt es noch die Juniorpartner der einzelnen Abteilungen. Sie sind wie uneheliche Stiefkinder. Sie verfügen nicht über ein Kontingent eigener Klienten, die sie den ganz Mächtigen als Speichellecker andienen könnten. Deshalb prostituieren sie sich, wenn es um ihre Stimme bei knappen Entscheidungen geht – wie der Frage einer neuen Partnerschaft.
Eine Stimme erschallt durch den Raum. „Guten Tag, Danielle.“
Danielle schaut auf und lächelt trotz ihrer Nervosität. Es ist Lowell Stratton Price III., der Kopf des Management-Komitees. Er ist derjenige, der von der großen Admiralität und internationalen Juristen gefördert wurde – von denjenigen, die nach dem Zweiten Weltkrieg nach Europa und Skandinavien gegangen sind, um dort den Schiffsmarkt aufzukaufen. Er hat silbernes Haar und wache, intelligente Augen. Die Firma leitet er absolut vorbildlich und tugendhaft, von überall wird ihm Respekt bezeugt. Lowell Price wird sich fair verhalten.
„Hallo, Mr Price.“
„Lowell, bitte.“ Er deutet auf den heißen Stuhl am Ende des massiven Konferenztisches.
„Vielen Dank, Lowell.“ In einer traditionellen New Yorker Anwaltsfirma gilt es als unausgesprochene Regel, dass ein einfacher Gesellschafter einen Seniorpartner nur dann beim Vornamen nennen darf, wenn er die höheren Weihen erhalten hat. Vielleicht ist das ein gutes Zeichen, denkt Danielle. Sie durchquert den Raum, nimmt Platz und legt die Hände auf dem Tisch ab, ganz so als wäre sie im Gerichtssaal – jederzeit bereit, aufzuspringen und Einspruch einzulegen. Sie blickt die versammelten Partner an. Sie wirken weder erfreut noch missfällig. Niemand bemerkt ihre neue Frisur. Sie sind viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
„Danielle, wir haben den Vormittag damit verbracht, über die exzellenten Gesellschafter zu diskutieren, die dieses Jahr im Gespräch sind, zum Partner aufzusteigen“, beginnt Lowell. „Wir haben bereits mit den anderen Kandidaten gesprochen und möchten den Partnern, die Fragen an Sie haben, nun die Möglichkeit geben, diese zu stellen. Wie ich hörte, waren Sie irgendwo in … Idaho, ist das richtig? In einer Privatangelegenheit?“
Danielle unterdrückt nur mit Mühe ein Stöhnen. „Iowa. Und ja, ich habe mir ein paar Wochen frei genommen, um mich um eine Privatangelegenheit zu kümmern, aber ich habe vor, bald wieder im Büro zu sein.“
„Natürlich, natürlich“, murmelt Price. Sie weiß ganz genau, dass er versucht, das Rascheln des weißen Papiers zu übertönen – ihre Stundenzettel der vergangenen Wochen. Sie hat genug damit zu tun gehabt, kleinere Brandherde an den diversen Fronten ihrer Fälle zu löschen. Auch wenn sie so hart gearbeitet hat, wie sie konnte, ist ihr natürlich klar, dass ihre Sorge um Max ihren Fokus verschoben hat. Deshalb fand sie es auch nicht gerechtfertigt, ihren Klienten viele Arbeitsstunden in Rechnung zu stellen. Beinahe kann sie die Gedanken der anderen Partner lesen. Keine Stunden, kein Geld. Kein Geld, keine Partnerschaft. Das ist der Punkt, an dem E. Bartlett, hätte er auch nur einen Funken Anstand im Leib, hervortreten und ein Loblied auf sie singen sollte. Sie schaut ihn an, doch er begegnet nicht mal ihrem Blick. Genau genommen blättert er in einer Zeitschrift. Die Botschaft ist klar und deutlich: Sie ist auf sich allein gestellt. „Ich habe Ihre Zahlen jetzt nicht vor mir, Danielle, aber vielleicht können Sie sie uns erläutern, inklusive einiger Einzelheiten zu Ihren Fällen.“
Gott segne ihn, denkt Danielle. Er bietet ihr die Möglichkeit, sich selbst zu beweihräuchern. Sie nimmt eine aufrechtere Haltung ein und setzt ihr Pokergesicht auf. „Vielen Dank, Lowell. Ich habe in diesem Jahr bereits dreitausendzweihundert Stunden in Rechnung gestellt, und ich denke, dass ich genug Einsatz und Hingabe gezeigt habe, um Partnerin in dieser Firma zu werden. Abgesehen von meinen in Rechnung
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