Mutterliebst (German Edition)
reden.“
„Keine Chance. Ich verschwinde.“ Als er bereits in Richtung Tür geht, erhascht er einen Blick auf das ledergebundene Tagebuch auf der Ecke des Schreibtisches des Arztes. Er erstarrt. Sein Gesicht läuft leuchtend rot an, er wirbelt herum und wirft Danielle einen Blick voller Hass zu. „Verdammt noch mal! Das geht dich einen Scheißdreck an!“
Es ist, als würde ihr Herz zerbrechen. „Sweetheart, bitte lass uns dir helfen! Dich umzubringen ist nicht die Lösung, das versichere ich dir.“ Danielle erhebt sich und versucht, ihn zu umarmen.
Max stößt sie so hart von sich, dass sie mit dem Kopf gegen die Wand knallt und auf den Boden sinkt. „Max – nein!“, schluchzt sie. Ihre Augen weiten sich vor Schreck, und für einen kurzen Moment scheint er sie trösten zu wollen, doch dann zuckt er zurück, schnappt sich das Tagebuch und stürmt aus dem Zimmer. Die Tür fällt so laut ins Schloss, dass es die Stille wie eine Explosion durchschneidet.
Dr. Leonard eilt zu Danielle hinüber, hilft ihr hoch und führt sie behutsam zum Stuhl zurück. Sie zittert am ganzen Körper. Leonard setzt sich ihr gegenüber und betrachtet sie ernst über den Rand seiner Brille hinweg. „Danielle, ist Max auch zu Hause schon gewalttätig geworden?“
Danielle schüttelt viel zu schnell den Kopf. Die Wunden auf ihrem Arm scheinen zu brennen. „Nein.“
Der Arzt sitzt ruhig da und steckt schließlich seine Notizen in eine blaue Mappe. „In Anbetracht von Max’ krankhafter Depression, seinen Selbstmordgedanken und Stimmungsschwankungen müssen wir realistisch sein und uns seinen Bedürfnissen stellen. Er braucht intensive Behandlung, und zwar von den Besten meiner Profession. Ich empfehle, dass wir sofort handeln.“
Sie bemüht sich sehr, ihn nicht sehen zu lassen, wie schwer ihr das Atmen fällt. Sie kommt sich wie ein Tier vor, das in die Falle getappt ist, dennoch muss sie in ihrer Reaktion extrem vorsichtig sein. „Ich bin mir nicht sicher, was das heißt.“
„Ich habe diese Option bereits zuvor erwähnt, und jetzt bin ich der Ansicht, dass wir keine andere Wahl haben.“ Seine sonst so sanften Augen wirken stahlhart. „Max braucht eine umfassende psychiatrische Evaluation – inklusive seines Medikamentenplans.“
Danielle starrt auf den Fußboden. Tränen verschleiern ihren Blick. „Sie meinen …“
Seine Stimme fließt ganz sanft und langsam zu ihr herüber. „Maitland.“
Danielle spürt, wie ihr Magen ins Bodenlose sinkt. Da, er hat das Wort ausgesprochen.
Es klingt so endgültig wie das Geräusch, mit dem ein Sarg verschlossen wird.
2. KAPITEL
Während der Fahrt von Des Moines nach Plano schläft Max. In dem ganzen Chaos von Gepäck, Taxis, mörderischem Verkehr und albtraumhaften Diskussionen haben sie es trotzdem irgendwie geschafft, den Flug von New York hierher zu erwischen. Danielle hat gefleht, gebettelt und massiven Druck ausgeübt, um Max dazu zu bewegen, nach Maitland zu gehen. Erst nachdem sie komplett zusammengebrochen war, hatte Max eingelenkt – gerade so. Danach hatte sie ihm keine Möglichkeit mehr gegeben, seine Meinung zu ändern. Sie blieb die ganze Nacht wach und spähte ständig in sein Schlafzimmer, um sicherzugehen, dass er noch am Leben war. Am nächsten Tag saßen sie bereits im Flugzeug.
Ihre Angst legt sich etwas, als sie sich auf dem Weg zur Klinik befinden. Sie zündet eine Zigarette an, kurbelt das Fenster hinunter und hofft, dass Max nicht aufwacht. Er hasst es, wenn sie raucht. Die Landschaft ist flach und schmutzig braun. Erst nachdem sie Plano erreichen und den Highway verlassen, explodiert die Natur um sie herum plötzlich. Die Blätter sind von einem satten Grün, das von der strahlenden Sonne gestreichelt wird. In der Luft liegt noch der Duft eines kräftigen Regenschauers, und sie stellt sich vor, wie eine Flut der Sühne die Welt reinwäscht, bis nur noch die unbestechliche schwarze Erde zurückbleibt. Es ist wie ein Zeichen der Hoffnung, findet sie, ein Vorgefühl, dass alles gut werden wird.
Während sie weiterfährt, hebt sie ihr Gesicht der Sonne entgegen, badet in der angenehmen Wärme und denkt an Max als kleinen Junge. Ein ganz spezieller Nachmittag kommt ihr in den Sinn. Auf der Farm ihres Vaters in Wisconsin, kurz vor dessen Tod. Danielle wiegte sich sanft in der Verandaschaukel und beobachtete, wie die Sonne die Luft in schimmerndes Gold verwandelte.
Während sie immer tiefer in den abgenutzten Kissen versank, kletterte Max auf ihren
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