Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
zur Frühbetreuung.« Beltz, 2012, S. 22)
Wie gesagt, das Geld wäre schon da, es müsste nur klarer und kompetenter eingesetzt werden.
Das Familienministerium nannte Anfang 2012 in einer ersten Übersicht 152 verschiedene Fördermaßnahmen für Familien – und acht für Ehen. Insgesamt werden nach diesen ersten Schätzungen 195,3 Milliarden Euro ausgegeben, jedes Jahr. Und diese Zahl wird eher nach oben korrigiert werden müssen. Das sind etwa 14 000 Euro pro Kind – jedes Jahr, bis es 18 Jahre alt ist. Neu hinzu kommen zum Beispiel die 150 Euro monatlich, die die Bundesregierung ab 2013 denjenigen zukommen lassen will, die sich zu Hause um ihre Kleinkinder kümmern oder andere Erziehungsexperten dauerhaft damit beauftragen wollen. Und es sind ja nicht nur direkte Geld- und Sachleistungen, mit denen der Staat Familien großzügig unterstützt. Umfangreiche Steuerentlastungen erleichtern ihnen das Leben: Das Statistische Bundesamt gibt an, dass Paare, die zwischen 35 und 45 Jahre alt sind und Kinder haben, bei gleichem Einkommen durchschnittlich ein Viertel weniger Steuern bezahlen als kinderlose Paare. Darüber hinaus werden Schulen, Spielplätze und medizinische Versorgung subventioniert.
Unterm Strich zielen die meisten Fördermaßnahmen allerdings auf Kinder von elf bis 17 Jahren. In diesem Alter sind die Ausgaben für Bildung am höchsten, aber im Grunde ist es dann schon zu spät. Denn Hirnforscher und Psychologen sind sich ja längst einig: Die wichtigen Persönlichkeitsmerkmale werden in den ersten sechs Lebensjahren geprägt. Was danach kommt, ist Feinschliff. Auch der Chicagoer Nobelpreisträger und Bildungsökonom James Heckman ist dieser Meinung. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. April 2012 zitiert ihn so: »Die frühen Jahre sind eine große Chance. Hier werden die Fähigkeiten geschaffen, die das Leben und Lernen später erleichtern. [ … ] Es ist besser, möglichst früh eine gute Basis zu schaffen, als später korrigieren zu müssen.« Es ist also sinnvoll, die Förderung im Wesentlichen bei Säuglingen und Kleinkindern, Eltern und Erziehern anzusetzen. Ich schlage ein mehrstufiges Modell der Kinderbetreuung vor: Schon vor der Geburt eines Kindes gibt es für werdende Eltern das Angebot, Paarkurse zu besuchen. So können sie – fokussiert auf ihre eigenen aus der Kindheit mitgebrachten und damit weitgehend unbewussten Beziehungsmuster – an ihrer Beziehung arbeiten. Eine gute Beziehung ist schließlich die Grundlage dafür, die Elternrolle sinnvoll auszufüllen.
Von der Geburt bis zum dritten Lebensjahr kommen alle Kinder gemeinsam mit ihrer vertrauten Bezugsperson fünfmal pro Woche für je drei Stunden in eine maximal zwölf Kinder umfassende Eltern-Kind-Gruppe, die von zwei erfahrenen Betreuern geleitet und supervidiert wird.
Ungefähr ab dem zweiten Geburtstag können die Eigenständigkeit und die allmähliche Ablösung vom System Mutter geübt werden. Die Mutter oder ihr Stellvertreter sind zwar weiter anwesend, aber nur noch im Hintergrund der Gruppe. Das jetzt allein agierende Kind kann, wenn es den Wunsch signalisiert, jederzeit zu ihr zurückkehren, sofortige Sicherheit erfahren und so sein Urvertrauen weiter aufbauen. Auf diese Weise werden die eigenen Kräfte des Kindes geweckt und gefördert.
Wenn die Kinder etwa drei Jahre alt sind, sind sie in der Lage, vormittags die Gruppe allein zu besuchen. Die anderen Kinder, die Erzieher und die Räumlichkeiten sind ihnen nun vertraut. Hier können sie weiter gemeinsam wachsen. Gerade für die vielen Einzelkinder und die Kinder aus bildungsfernen Familien ist das ein Segen. Mit dem Erziehungsgehalt ist auch die weitere qualifizierte Betreuung im häuslichen Umfeld der Kinder gesichert, bis sie so stabil sind, ganztags in den Kindergarten und dann in die Grundschule zu gehen.
Wenn Kinder und ihre Eltern auf diese Weise gefördert werden, haben wir gute Chancen, dauerhaft positive Effekte zu erzielen: glückliche, stabile, selbstbewusste, eigenverantwortliche, lernbereite und offene Kinder. Die älteren Kinder oder gar die Studenten müssen nicht mehr so stark gefördert werden. Auch die ausufernden Reparaturmaßnahmen in Problemfamilien bis hin zur Herausnahme der Kinder aus ihren Familien mit vielen teuren Fremd- und Heimunterbringungen fallen weitgehend weg.
Ich schlage also vor, die Investition schlichtweg zu verlagern, zusätzliche Kosten dürften kaum anfallen. Und diese Investition an der richtigen Stelle hätte eine
Weitere Kostenlose Bücher