Mutti ist die Bestie: Die heimliche Diktatur vieler Mütter (German Edition)
Der Grund für diese Programme: »Wir helfen dir bei der Kindererziehung, weil du zu der Risikogruppe gehörst, die es erfahrungsgemäß nicht allein schafft« wirkt nicht gerade aufmunternd. Kein Wunder, dass kaum jemand kommt. Und zu guter Letzt: Die gelegentliche Unterstützung eines Experten wird eher als bevormundend wahrgenommen. Auch ich würde einen Sozialarbeiter, der alle paar Monate vorbeikommt und nach dem Rechten sieht, wohl eher als Störung meiner Privatsphäre empfinden und nicht als wertvolle Hilfe. Sinnvoll kann nur ein permanent verfügbarer Beistand sein, der ein nachhaltiges Klima des Vertrauens ermöglicht und der die Eltern in ihrer Rolle schult und stärkt.
Deshalb meine zentrale Forderung: Weiterbildung für alle Eltern! Und zwar verbindlich. Quer durch die Bevölkerung, landesweit und dauerhaft.
Wie aber die Ressentiments gegen solch ein zentral verordnetes Instrument überwinden? Die meisten Eltern werden sich mit Händen und Füßen wehren, wenn sie in Kindererziehungskurse gelotst werden sollen. Das zeigen schon die Erfahrungen aus der Vergangenheit. Die zu erwartenden Abwehr- und Schutzreaktionen sind ganz normal und nachvollziehbar: »Mischt euch nicht in meine Erziehungshoheit ein! Stellt ihr etwa infrage, dass ich das allein kann?« Es gibt aber eine einfache Möglichkeit, diese Hürde zu nehmen.
Es wurde und wird oft vom Eltern-Führerschein geredet. Den Auto-Führerschein müssen ausnahmslos alle machen, die Auto fahren wollen. Das hat also nichts Ehrenrühriges an sich. »Was, du musst einen Führerschein machen? Also, ich hab das von allein gelernt« – das sagt niemand. Jeder fügt sich der Notwendigkeit. Und genauso könnte auch ein Eltern-Führerschein funktionieren. Erst wenn er für alle verbindlich ist, wird er nicht mehr mit Versagen und Bevormundung, sondern mit Unterstützung und zielführender Kontrolle assoziiert werden können.
Doch wie kann man erreichen, dass die Angebote an Eltern-Kind-Kursen nicht nur zum Pflichtprogramm werden? Schließlich kostet es Zeit, an Seminaren teilzunehmen, und die Bereitschaft, das eigene Verhalten zu überprüfen oder gar zu verändern, muss gegeben sein. Um das alles auf sich zu nehmen, braucht man einen starken Anreiz. Auch hierfür gäbe es in meinen Augen eine einfache Lösung: Die Weiterbildung wird bezahlt! Und damit meine ich nicht nur, dass die Seminarkosten übernommen werden. Sondern dass die Teilnehmenden für ihren Zeitaufwand sogar entschädigt werden. So wie im alten Griechenland die Theaterbesucher bezahlt wurden – weil Theater als Teil der politischen Bildung angesehen wurde.
Mein Vorschlag ist, dass ein kostenfreies 14-tägiges Gruppenangebot allen Paaren gemacht wird, die Kinder planen oder schon erwarten. Forschungsergebnisse zeigen, dass jede Ehe mit der Geburt des ersten Kindes in eine existenzielle Krise gerät, wenn die Eltern die Konsequenzen vorher verdrängt oder nicht geklärt haben. Besonders die Mutter ist im Hinblick auf ihre veränderte Rolle betroffen. Die Selbstspiegelung ist erlernbar; nach zwei Jahren Gruppenarbeit können Paare sie allein fortsetzen, zum Beispiel mit den vom Frankfurter Psychoanalytiker Michael Lukas Moeller entwickelten, wöchentlich fest vereinbarten »Zwiegesprächen« zu Hause.
Wer Kinder hat, regelmäßig in die Elterngruppe kommt und dauerhaft an sich arbeitet, bekommt ein Erziehungsgehalt. Anstelle eines Elterngeldes oder gar bedingungslosen Grundeinkommens, das nach dem Gießkannenprinzip und ohne nachprüfbare Gegenleistung gezahlt wird, handelt es sich beim Erziehungsgehalt um eine Zuwendung, die an nachprüfbare und ergebnisorientierte Bedingungen geknüpft ist.
Eigentlich ist der Gedanke ganz simpel: Um die Qualität der Kindererziehung sicherzustellen, lässt man sie entweder von qualifizierten Erziehern betreuen, von Eltern, die sich fortgebildet haben, oder von einer anderen von ihnen ausgewählten, qualifizierten und von ihnen bezahlten und mindestens sechs Jahre verfügbaren Bezugsperson ihres Kindes. Dann können beide Eltern weiter arbeiten gehen, und das Kind wird trotzdem kompetent erzogen und gebildet.
Begleitend dazu stelle ich mir Konzepte vor, die an die diskutierten und teilweise schon gelebten Mehrgenerationenhäuser anknüpfen. Hier finden sich viele geistig und körperlich fitte Senioren gemeinsam mit jungen und alten Paaren und Familien zusammen. Anstatt sich zu langweilen, könnten sich die Senioren zu qualifizierten Betreuungspersonen
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