My Story. Streng geheim. - Aller guten Jungs sind drei
der Milchkannen auf dem Anhängerchen auf, wir beugten uns zu unseren Jungs hinunter, tauschten die Morgenküsse aus und trafen uns später mit ihnen und Rosi, Gundi und Yasmina am großen Tisch in der gemütlichen Küche. Die Morgensonne schien schon sehr warm herein, kein Wölkchen trübte den Himmel, die Tür zur Terrasse stand auf, wir hörten das Zwitschern der Vögel, die Kuhglocken und gelegentliches Muhen, der Kaffee duftete, die Milch wärmte sich auf dem Herd, Gundi schnitt den Sonntagskuchen an - an diesem Tag handelte es sich um einen mit Nüssen und Rosinen -, und ich dachte wieder mal, wie gut ich es doch hatte. Hier auf der Jägeralpe war ich, musste nicht Frohsinn und Fröhlichkeit in einem angesagten Feriencamp verbreiten, musste kein Zickengezänk über mich ergehen lassen, musste nicht jede Sekunde des Tages perfekt geschminkt, frisiert und gekleidet sein, damit ich im Wettbewerb um den süßesten Jungen eine Chance hatte - hier auf der Jägeralpe band ich meine störrischen Haare einfach im Nacken zusammen, zog eines meiner beiden Dirndl an und war glücklich. Marta war auch glücklich, obwohl sie gerne in ein Camp gegangen wäre - klar, ihr fehlte die Erfahrung, die ich in insgesamt fünf Ferien gesammelt hatte. Ich nahm ihr das nicht übel;
sowenig sie es mir übel nahm, dass wir die Tage nicht im Liegestuhl verbrachten. Obwohl wir es nicht mussten, halfen wir den dreien von der Jägeralpe. Ich erwähnte es bereits: Es machte uns Spaß. Echt, das ist nicht übertrieben - es machte wirklich Spaß. Marta und Gundi waren unsere beiden Köchinnen. Der Ruhm ihrer Speisen hatte sich in Windeseile bis auf die Berggipfel und in die Nachbartäler verbreitet und bescherte uns eine Menge Wandergäste - es kamen viel mehr als in den Jahren zuvor. Wir wussten das, weil Rosi, die Chefin, Buch führte.
Damit das Essen heiß zu den Hungernden kam, musste ich mich flink bewegen. Das machte ich gerne, außerdem bekam ich viel zu sehen. So viele verschiedene Menschen wanderten zu uns herauf, erst gestern zum Beispiel …
»Zippi? Zippi, schläfst du noch?«
Ich schreckte zusammen. »Nein«, protestierte ich. »Ich hab nur nachgedacht. Was ist?«
»Weißt du, wo Emir heute früh steckt?«
Ich fühlte, wie ich rot wurde. »Warum sollte ich das wissen?«
»Ich frage nur, ob vielleicht du ihn gesehen hast. Sein Schlafsack war schon leer, als Franzl und Ignaz aufgewacht sind«, erklärte Rosi. »Und wie du siehst, frühstückt er auch nicht mit uns.«
»Ist mir noch gar nicht aufgefallen.« Das stimmte. Dass Emir fehlte, war mir entgangen. Komisch. Das bedeutete wohl, dass ich ihn doch nicht liebte. Umgehend warf ich Ignaz einen sehr, sehr liebevollen Blick zu. Mann, war ich froh, nur in einen der beiden Jungs verliebt zu sein! Das ersparte mir eine Menge Gewissensbisse, ermöglichte umgehendes Einschlafen und stressfreies Austauschen von Ignaz-Zärtlichkeiten.
»Könnte es sein, dass er hinterm Haus trainiert?«, überlegte Yasmina laut.
»Ohne den Schutz?« Ignaz deutete auf seinen metallicblauen Mopedhelm.
»Ich schau trotzdem mal nach«, erbot sich Marta, verschwand - und kam Sekunden später zurück. »Das müsst ihr sehen!«, rief sie uns zu, worauf wir raus und hinters Haus stürzten.
Das Erste, was ich sah, war Nele. Mit der einen Hand umklammerte sie den Griff ihrer Krücke, mit der anderen ein Handy. »Er musste mir versprechen, mich zu holen, bevor er mit seinem Training beginnt«, erklärte sie unaufgefordert.
Wie bitte? Was bitte? Er musste sie holen? Hätte ihr nicht eine kleine Handymeldung gereicht, sie möge sich doch bittschön auf den Weg machen, der liebe Emir beabsichtige, in etwa einer Viertelstunde oder so vorm Kletterhang zu erscheinen? Aber nein, die Lady liebte es kompliziert. Ohne persönlichen Einsatz tat sie’s wohl nicht, was? In mir kochte es. Wie blöd war eigentlich mein alter Lover Emir?
O. K., im Grunde genommen ging mich das ja nichts an. Wenn Emir sich von Nele zum Trottel machen ließ, war das seine Sache. Vor allem jetzt konnte es mir egal sein, wo ich ja endgültig wusste, dass ich nur in meinen Ignaz verliebt war - andernfalls wäre mir Emirs Abwesenheit ja aufgefallen. Oder etwa nicht? Wenn man mal kurz außer Acht ließ, dass ich ein absoluter Morgenmuffel bin, deutete das Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen klar darauf hin.
Nele ließ Emir nicht aus den Augen. Hingerissen verfolgte sie, wie er Ellbogen- und Knieschützer anlegte. Es waren solche, die eigentlich für
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