My Story. Streng geheim. - Aller guten Jungs sind drei
erkundigte sich Yasmina.
»Die sind persönlich«, wehrte ich ab.
»Aber Nele darf sie lesen? Find ich ungerecht.«
»Ich hab’s ihr nicht erlaubt«, knurrte ich.
Die drei verzogen sich; Gundi wollte Kuchen auf Vorrat backen, Rosi musste Geschäftliches erledigen, und Yasmina hatte sich einen schicken Leinenrock im Landhausstil gekauft, dessen Saum sie ein paar Zentimeter kürzen musste.
Nele presste die Blätter an ihren noch längst nicht voll entwickelten Busen. »Zippi! Hör doch nur: Ich fliege zu dir! Oder: Muss enden die Pein . Wie kannst du nur so grausam sein und diesen Jungen nicht lieben?! Hast du denn überhaupt kein Herz? Wie gefühllos bist du eigentlich?«
»Ich bin nicht gefühllos«, wehrte ich mich. »Und natürlich habe ich ein Herz! Ich halte nur nichts von Lügen. Soll ich Liebe heucheln, wo ich keine empfinde?«
»Das natürlich nicht. Nur verstehe ich nicht, wieso ein so toller Junge dein Herz nicht erreicht.«
Weil’s schon besetzt ist, hätte ich fast erwidert. Aber so einfach
war es ja nicht; ich mochte Cas, aber für mich war er einfach zu brav. »Er wird mal ein großer Dichter«, sagte ich ernst. »Ich unterstütze ihn, wo ich nur kann, ich bewundere ihn, ich bewahre alle seine Gedichte sorgfältig in schönen Schachteln auf, er ist mein allerbester Freund und Nachbar. Doch denke daran, Nele. Man kann seinen Gefühlen nicht befehlen und einen Freund küsst man nicht.«
»Verstehe. Du bist seine Muse.«
»Genau. Ich inspiriere ihn. Wenn ich nicht wäre, würde er keine Gedichte schreiben können. Ich empfinde das als große Aufgabe, Nele.«
»Ich beneide dich, Zippi«, hauchte Nele und streichelte die Blätter. »Einen Freund zu haben, dessen Muse man ist, muss wunderbar sein.«
Na ja, ich würd’s eher lästig nennen. Wenn Nele wüsste, wie viele ungelesene Gedichte unter meiner Matratze in Martas und meiner Kammer schlummerten, würde sie mich als Unmensch ersten Grades ins Guinnessbuch eintragen lassen. Hundertpro!
Franzl war mit Marta unterwegs, Emir war weiß der Kuckuck wo und Ignaz war im Tal. So gesehen war es ein ereignisloser, uninteressanter Vormittag - von dem spannenden Buch, das ich nicht weiterlesen konnte, weil Nele mich daran hinderte, und Cas’ Gedichten mal abgesehen. Und so wäre er auch weitergegangen, wenn Nele sich nicht nach dem noch ungeöffneten Brief erkundigt hätte.
»Mach ihn doch endlich auf!«
»Kein Interesse.«
»Echt? Interessiert’s dich nicht, was dir jemand geschrieben hat?«
»Ich weiß, was drinsteht.«
»Komm schon! Jetzt nimmst du mich auf den Arm!«
Ich schüttelte den Kopf.
»Wie kommt das?«
»Was?«
»Dass du weißt, was in dem Brief steht?«
»Weil’s immer dasselbe ist.«
»Dann kannst du mir ja sagen, was drinsteht.«
Ich schüttelte wieder den Kopf.
»Von wem ist der Brief?«
Das Mädchen nervte mich. Ich hätte aufstehen und in meine Kammer gehen sollen, aber auf der Bank in der Sonne war es angenehmer. Ich schwieg.
»Du weißt, wer dir den Brief geschickt hat und was die Person dir geschrieben hat, weil es immer dasselbe ist«, wiederholte Nele leise. Ich merkte, wie sie nachdachte.
Plötzlich und ohne Vorwarnung zog sie den weißen Umschlag unter dem braunen vor. »Das ist eine Frauenhandschrift«, konnte sie gerade noch sagen, bevor ich ihr den Brief aus der Hand riss. »Der geht dich nichts an!«
Ich setzte mich auf den Brief, verschränkte die Arme vor der Brust und funkelte sie wütend an.
»Sorry. Ich wollte nicht neugierig sein.«
»Du bist verdammt noch mal das neugierigste Mädchen, das ich kenne!«
Nele schwieg beleidigt.
Ich war wütend.
Und sauer.
Und überhaupt …
»Ich weiß auch so, von wem der Brief ist«, flüsterte sie. Plötzlich kullerten dicke Tränen aus ihren Augen. »Ich würde alles darum geben, wenn ich von meiner … von einer bestimmten Person nur noch einmal einen Brief bekommen könnte. Aber … aber eine Tote schreibt keine Briefe.« Nele saß ganz
ruhig auf der Bank. Sie schniefte nicht, sie schluchzte nicht, sie schlug nicht die Hände vors Gesicht - sie weinte lautlos und mit offenen Augen.
Der Anblick war furchtbar.
Wenn sie mich an diesem Vormittag nicht schon so schrecklich genervt hätte, hätte ich sie vielleicht getröstet. So aber reichte ich ihr nur ein Papiertaschentuch. »Seinen Gefühlen kann man nicht befehlen.«
»Aber man darf die Gefühle anderer auch nicht missachten!«, schrie sie.
Das kam so unerwartet, dass ich zusammenzuckte.
»Du bist
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