My Story. Streng geheim. - Aller guten Jungs sind drei
auseinander.
»Michel!«
Wir rannten los.
Muhend, mit schreckgeweiteten Augen und hochgerecktem Schwanz galoppierte die Kuh über die Weide. Michel lag brüllend im Gras, Oma Sevde lachte und Zenza schimpfte.
»Der Kerl ist auf Annas Rücken geklettert, Anna ist losgeprescht, hat ihn abgeworfen, und jetzt …« Mathilde beugte sich über ihren Sohn. »Wo tut’s denn weh?«
»Überall!«
»Geschieht dir recht«, sagte Hubertus herzlos. »Warum bist du auch nicht in meiner Nähe geblieben, wie ich’s gesagt hab? Na?«
Zenza schob Mathilde zur Seite und winkte Marta heran. »Wir beide machen das«, sagte sie energisch.
Es war absolut klasse, wie die beiden Michel abtasteten und untersuchten und feststellten, dass er allerhöchstens den linken Knöchel ein bisschen verstaucht hatte.
Mathilde, die Krankenschwester, sah sprachlos zu, wie ihre Tochter und Zenza Michel zum Brunnentrog führten und ihn mit kalten Umschlägen ruckzuck wieder auf die Beine brachten.
»Marta wird Medizin studieren«, sagte Franzl seinem Vater.
»Und du, mein Junge? Was wirst du machen?«
Marta drehte sich zu Hubertus um. »Er wird Förster.«
»Donnerwetter! Das sind Neuigkeiten!«
»Nur für dich, Pa«, sagte Franzl.
»So? Habt ihr beide noch mehr davon auf Lager?«, erkundigte er sich misstrauisch.
»Klar«, entgegnete Marta fröhlich. »Aber die gehen nur den Franzl und mich was an!«
Hubertus schnappte nach Luft.
»Möchtest dich mit einem Glas Milch stärken?«, erkundigte sich Zenza mitfühlend. »Kuh oder Ziege?«
»Weder - noch. Danke. Ich brauch was Stärkeres. Wer kommt mit zur Jägeralpe?«
Manfred hatte es auf Zenzas Alpe nicht ausgehalten. Er war mit Nele - und Cas natürlich! - zum Ort der Kraft gepilgert, und da Hubertus auch von Zenzas Kaffee nichts mehr wissen wollte, gingen wir alle zusammen zur Alpe.
Da wo der Weg zum Hochsitz abzweigt, hielt ich Emir zurück. Wir ließen die anderen weitergehen, rannten über die Wiese, kletterten die Leiter hoch, setzten uns aufs Brett und drückten Daumen. Na ja, nicht immer. Manchmal taten wir auch was anderes.
Wir warteten und warteten und fragten uns schon, ob sich die beiden nicht doch verirrt hatten. So deppert, wie sie sich in den vergangenen Jahren benommen hatten, war’s ihnen ja zuzutrauen.
Sie hatten sich aber nicht verirrt. Als die Sonne den Bergspitzen schon sehr nahe gekommen war, sahen wir sie auf dem Weg. Sie hielten sich nicht an den Händen, aber sie redeten miteinander. Dann blieben sie stehen. Gingen weiter. Blieben wieder stehen. Redeten aufeinander ein. Gingen ein paar Schritte. Blieben stehen. Redeten nichts.
Ich umklammerte Emirs Arm, hielt den Atem an und starrte vom Hochsitz hinunter auf die zwei kleinen Gestalten auf dem schmalen Weg.
Sie gingen weiter.
Zwei Schritte, drei Schritte. Blieben stehen. Redeten.
Meine Ma nickte. Mein Pa schaute auf die Uhr. Nickte auch.
Und dann - eine Sekunde länger und ich wäre erstickt! - setzten sie sich in Bewegung. Hand in Hand.
»Wow!«, sagte Emir leise. »Das schaut doch gut aus, was?«
Ich kuschelte mich an Emir. Er roch ein bisschen nach dem Heu im Stadel, aber nicht nach Anna-Kuh wie Ignaz. Ich liebte seinen speziellen Emir-Duft und wartete geduldig, bis mein Herz wieder seine normale Schlaggeschwindigkeit erreicht hatte. Das dauerte, aber wir wollten meiner Ma und meinem Pa nicht sofort folgen; kein Mensch hat es gern, wenn er bei einer entscheidenden Wendung in seinem Leben Zuschauer hat. Stimmt doch, oder?
Als wir ankamen, war es so spät geworden, dass alle schon an den Autos standen. Manfred war überglücklich und versicherte Nele, er würde mit Zelt und Schlafsack wiederkommen. »Du hast aber weder ein Zelt noch einen Schlafsack«, erinnerte ihn Markus.
Manfred lächelte. »Stefan hat mir eine Mitfahrgelegenheit angeboten. Ich komme am Samstag, wenn er die Kinder holt. Mir reichen ein paar Decken.«
Wie bitte? Sind wir kleine Kinder, die von der Kinderkrippe abgeholt werden müssen? Ich wollte gerade losplatzen, als mein Pa Manfred verbesserte. »Wir holen die Kinder.«
»Wir?«
»Ich komme aus München, lasse mein Auto in Burgberg stehen und fahre mit euch nach Hause.« Meine Ma sagte das so, als sei es das Selbstverständlichste der Welt.
»Na bitte«, flüsterte Emir in mein Ohr.
Da knallte und krachte und schepperte es, wir zuckten zusammen, Hubertus brüllte: »Michel, wo steckst du? Was war das?«
»Ich hatte noch ein paar Knallfrösche«, meinte er
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