Mylady Adelshochzeit 01
ohne sie waren trostlos und langweilig. Er musste mit ihr sprechen, ihr verständlich machen, dass der junge Mann, der sie vor sechs Jahren so rüde zurückgewiesen hatte, nicht der Mann war, der zurückgekommen war, um seine Verpflichtungen als Earl of Amerleigh wahrzunehmen, dass er sich erst wieder voll und ganz auf seine Pflichten, um das Anwesen und seine Pläne für eine Gehörlosenschule würde konzentrieren können, wenn sie ihm vergeben hätte. Oder ging er damit zu weit?
Er eilte ins Haus und fand Geoffrey, Elizabeth, seine Mutter und Miles bereit zur Abfahrt.
„Roland, wir kommen deinetwegen noch zu spät“, tadelte seine Mutter. „Wo warst du bloß?“
„Ich musste dringend mit Mountford sprechen. Fahrt mit der Kutsche voraus, ich folge euch mit dem Einspänner.“
„Du wirst tropfnass werden.“
„Nein, es hat aufgehört zu regnen.“
Er ging hinauf in sein Zimmer und streifte das Ritterkostüm über, für das er sich entschieden hatte, zog die dazugehörigen Stiefel an und schloss den Schwertgürtel um die Hüften. Zum Kostüm gehörte auch ein Helm mit Visier, den er unter dem Arm trug. „Wie sehe ich aus?“, fragte er Travers.
Travers grinste. „Soll ich Ihr Pferd satteln? Ein Ritter kann unmöglich eine Maid in Nöten ohne sein treues Pferd retten, oder?“
„Travers, du machst dich über mich lustig.“
„Nein, Sir, überhaupt nicht“, meinte Travers und grinste noch breiter.
„Dann hol mir den Einspänner. Ich werde selbst kutschieren.“ Er warf sich einen Mantel über das Kostüm und ging nach unten, während er sich fragte, was der Abend wohl für ihn bereithalten würde.
Da er als Letzter eintraf, wurde sein Kommen von der ganzen Gesellschaft bemerkt. Suchend sah Roland sich nach seiner Gastgeberin um, da eilte auch schon Lady Ratcliffe herbei, um ihn zu begrüßen.
„Mylord, es freut mich, dass Sie kommen konnten. Der Tanz hat bereits begonnen. Miss Cartwright ist hier auch irgendwo. Ich werde sie suchen.“
„Machen Sie sich bitte keine Mühe, Mylady“, meinte Roland. „Ich werde hinüber zu meiner Mutter gehen.“ Er hatte die Countess entdeckt, die neben Lady Gilford saß, und musste lächeln. Anscheinend hatte Lady Gilford ihre Zweifel über Charlottes mangelhafte Erziehung beiseite gewischt. Ihr Gatte war jedoch nicht zu sehen. Roland ging zu den Damen, verbeugte sich und stellte sich dann hinter den Sessel seiner Mutter, um den Blick durch den Saal schweifen zu lassen und nach Charlotte Ausschau zu halten. Wie es ihm jedoch gelingen sollte, sie unter vier Augen zu sprechen, musste er sich noch überlegen.
Charlotte war seine Ankunft nicht entgangen, und sie machte sich hinter Miles Hartley, mit dem sie tanzte, so klein wie möglich. „Bitte entschuldigen Sie mich“, sagte sie, sobald die Musik verklang. „Ich will nachsehen, ob das Souper rechtzeitig serviert werden kann.“ Mit diesen Worten hastete sie davon. Sie fühlte sich krank. Ein schmerzhafter Stich in ihrem Herzen ließ sie unvermittelt erkennen, dass sie hoffnungslos und unwiderruflich in Roland Temple verliebt war. Wie hatte das passieren können? Wie konnte sie nur so dumm sein und vergessen, dass er sie grausam verschmäht hatte und dass sie sich erbittert um ein Stück Land stritten, das keiner dem anderen überlassen wollte.
Roland sah sie gehen – er hatte sie trotz ihrer Maske erkannt –, doch er konnte ihr nicht folgen, da erneut Musik erklang und sich die Tanzfläche füllte. Also verbeugte er sich vor der jungen Dame, die ihm am nächsten stand, und bemerkte erst da, dass es Martha war, als Kolumbine verkleidet, die Geliebte des Harlekin. Lächelnd bot er ihr seinen Arm. „Würden Sie mir die Ehre erweisen, mit mir zu tanzen?“
„Vielen Dank, Mylord“, antwortete sie und schaute sich besorgt nach ihrer Mutter um.
„Oh, alles verläuft nach Plan“, sagte Lady Brandon, die Charlotte gesucht und im Speisesaal ausfindig gemacht hatte.
„Was meinst du?“ Charlottes Gedanken weilten immer noch bei Roland, und ihr war die Störung nicht willkommen.
„Nun, der Earl hat mit Martha getanzt, und es würde mich nicht überraschen, wenn er Brandon später um ein Gespräch bitten würde.“ Als Charlotte darauf nicht antwortete, fragte Lady Brandon: „Was ist denn mit dir, Charlotte? Warum machst du ein solch betrübtes Gesicht? Es gibt gar keinen Grund dafür. Der Ball ist ein überwältigender Erfolg, und du wirst gewiss von heute an zu jeder Gesellschaft eingeladen
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