Mylady Adelshochzeit 01
unsere Wertschätzung zu vermitteln.“
„Ich will keinen Dank“, sagte Roland steif. „Ich habe nur getan, was jeder unter diesen Umständen getan hätte. Wenn ich mich nun verabschieden darf.“ Er verbeugte sich vor Charlotte, nahm seinen Mantel, die Weste und den Hut vom Boden auf und ging zu seinem Pferd, das friedlich an einigen Grasbüscheln zupfte. Er hatte alles getan, was er konnte, nicht nur um die Männer zu retten, sondern auch sein Ansehen in Charlottes Augen wiederherzustellen. Indes war es nicht genug.
Die Höflichkeit verlangte, nach einem Ball den Gastgeber aufzusuchen, um ihm für die Einladung zu danken und beim Tee über den Abend zu plaudern. Darum fragte sich Charlotte, warum auch am Tag nach dem Unglück in der Mine niemand zu ihr kam, obwohl doch alle vor Neugier schier platzen mussten. Als sie eine entsprechende Bemerkung zu ihrer Großtante machte, wich Lady Ratcliffe so schnell aus, dass Charlotte wusste, sie verschwieg ihr etwas.
„Was sagen die Lästerzungen nun wieder über mich, Tante?“, fragte sie.
„Oh, sie haben nichts Besseres zu tun, als ungeheuerliche Geschichten zu erfinden.“
„Erzähl mir davon, ich bestehe darauf.“
„Ach, es ist absolut aus der Luft gegriffen. Man behauptet, Martha hätte den Antrag Seiner Lordschaft abgelehnt, weil du zwei Tage lang in Liverpool mit ihm verbracht hast und, obwohl du in deiner eigenen Kutsche gefahren bist, in seiner zurückkamst, und das in einem höchst unziemlichen Zustand … Soll ich fortfahren?“
„Nein, ich verstehe schon.“ „Wenn Seine Lordschaft auch nur einen Funken Anstand besitzt, dann macht er dir einen Antrag.“
Anstand! Hatte er etwa von den Gerüchten erfahren und deshalb um ihre Hand angehalten, nur um ihren Ruf zu schützen? Sie wusste nicht, ob sie darüber erfreut oder wütend sein sollte. Die Wut gewann letztlich die Oberhand. „Wenn er das tun sollte, würde ich den Antrag ablehnen. Ich hege nicht den Wunsch zu heiraten, am wenigsten Lord Amerleigh.“ Sie sagte es mit fester Stimme, um ihre Tante zu überzeugen.
Zwei Minuten darauf kam ein Lakai ins Zimmer und meldete die Lady Amerleigh.
Charlotte beeilte sich, ihre Besucherin zu begrüßen. Die Countess hatte sich zwar immer höflich gezeigt, wenn sie sich trafen, sie indes noch nie aufgesucht, und sie fragte sich, ob der Besuch etwas mit den Ereignissen am vergangenen Tag zu tun hatte und ihrer Weigerung, Roland zu ehelichen. Aber gewiss hatte er nicht seine Mutter geschickt, um ein gutes Wort für ihn einzulegen? Sie tat den Gedanken als lächerlich ab. Er würde seine Kämpfe nie von anderen austragen lassen. „Mylady, Sie sind mir sehr willkommen. Darf ich Ihnen eine Erfrischung anbieten?“
„Gerne.“
Charlotte gab die entsprechenden Anweisungen und deutete auf das Sofa. „Bitte nehmen Sie doch Platz, Mylady.“
Lady Amerleigh machte es sich bequem, und Lady Ratcliffe setzte sich plaudernd neben sie. Charlotte nahm auf dem anderen Sofa Platz, darauf wartend, dass Lady Amerleigh ihr den Grund ihres Besuches mitteilte.
„Ich bin gekommen, um Sie zum Erfolg Ihres Balles zu beglückwünschen“, meinte die Countess. „Auch wollte ich mich versichern, dass Sie nach dem gestrigen Unglück wohlauf sind. Gewiss müssen Sie sehr besorgt gewesen sein.“
„Mir ist nichts geschehen, Mylady. Tatsächlich habe ich überhaupt nichts beitragen können. Die Männer haben sich um alles gekümmert. Wir haben es Lord Amerleigh zu verdanken, dass alles ein glückliches Ende nahm.“
„Das habe ich gehört.“
Das Gespräch stockte, als der Lakai Tee und Kuchen brachte und das Tablett neben Charlotte abstellte. „Sie können gehen“, meinte sie, als er servieren wollte. „Ich kümmere mich darum.“
„Ich war zu Tode besorgt, als meine Nichte so lange ausblieb“, meinte Lady Ratcliffe, während Charlotte den Tee ausschenkte. „Ich war mir sicher, sie müsse vom Pferd gestürzt sein, also schickte ich Dienstboten aus, um nach ihr zu suchen. Ich war in großer Verzweiflung, als man mir sagte, bei der Mine hätte es Explosionen gegeben. Sie wissen ja gar nicht, wie erleichtert ich war, als sie unversehrt nach Hause kam.“
„Ich kann es mir vorstellen“, sagte die Countess. „Zwar habe ich meinen Sohn bei seiner Heimkehr nicht gesehen, aber man sagte mir, er hätte ausgesehen, als wäre er in einer Schlacht gewesen. Er hat jedoch versichert, er sei unverletzt, und konnte heute Morgen abreisen, wie geplant.“
„Er hat geplant,
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