Mylady Adelshochzeit 01
wenngleich er sich auch auf die Behandlung gehörloser Kinder spezialisiert hatte und zu Ruhm gelangt war, weil er Taubstummen das Sprechen beigebracht hatte.
Einzig sein Titel sorgte dafür, dass der Doktor Roland ein Gespräch gewährte. Er verlor keine Zeit und kam gleich auf Tommy zu sprechen. „Die Zeichensprache zu erlernen reicht nicht aus“, erklärte er. „Ich würde es gerne sehen, wenn der Junge sprechen lernt. Ist das möglich?“
„Das kann ich nicht sagen, ohne den Knaben untersucht zu haben. Ich muss zunächst feststellen, ob seine Stimmbänder intakt sind …“
„Er kann Grunzlaute und Schreie von sich geben, aber eben nicht verständlich.“
„Das ist ein gutes Zeichen. Dennoch muss ich den Knaben sehen, um feststellen zu können, ob es von Nutzen sein wird, ihn zu unterrichten“, meinte Masterson. „Einige lernen trotz aller Bemühungen nie sprechen, und ich möchte keine falschen Hoffnungen wecken. Sie müssten ihn herbringen, und falls ich mich entschließen sollte, ihn zu unterrichten, wird er hier im Internat leben.“
Roland hatte geglaubt, der Mann würde, wie Miles, nach Amerleigh kommen, und er war sich ganz und gar nicht sicher, ob es gut wäre, Tommy aus seiner gewohnten Umgebung zu reißen. Er war noch sehr jung und würde seine Familie gewiss vermissen. „Darüber müssen wir mit seinen Eltern sprechen“, sagte er. „Sie sind arm, die Kosten für das Internat würden sie wohl kaum aufbringen können.“
„Dann schlage ich vor, gleich die Finger davon zu lassen. Mein Honorar ist beträchtlich, wenn Sie verstehen. Ich übe meine Tätigkeit nicht aus reiner Nächstenliebe aus. Meine Knaben stammen sämtlich aus adligen Familien.“
„Ich verstehe. Haben Sie schon daran gedacht, Ihre Methoden weiterzugeben? Captain Miles Hartley ist sehr daran interessiert, und er unterrichtet Zeichensprache. Wenn man ihn Ihre Methoden lehren würde, könnte er sich um meinen Schützling kümmern und um andere Kinder in meiner Nachbarschaft.“
„Ich bin mit Captain Hartley bekannt. Wir haben bereits korrespondiert. Wenn er bereit dazu ist, könnten wir vielleicht eine Vereinbarung treffen. Er könnte in meinem Institut als mein Assistent arbeiten.“
Roland dankte Dr. Masterson und verabschiedete sich. Zurück im Hotel wollte er Miles und Charlotte über das Erreichte informieren. Der Brief an Miles war schnell verfasst, doch Charlotte zu schreiben, stellte ihn vor ein Problem. Er wollte ihr einen Liebesbrief schreiben, ihr seine Gefühle mitteilen, ihr sagen … was? Seinen Antrag wiederholen? War diese Vorstellung so undenkbar? Immerhin hatten schon ihre Väter diese Verbindung gewünscht, obwohl das Glück ihrer Kinder für sie nicht an erster Stelle stand. Mr. Cartwright wollte einen Titel für seine Tochter, und sein Vater wollte seine Schulden bezahlt wissen. Sie hatten weder erwartet noch gewünscht, dass ihre Sprösslinge sich ineinander verlieben würden. Auch er hatte nicht damit gerechnet, dass er sich jemals anders besinnen könnte, als er sie damals so unverschämt abgewiesen hatte. Doch nun liebte er sie. Seine Gedanken kreisten ständig um sie, und selbst die Entfernung linderte seinen Herzschmerz nicht. Er wünschte, dass sie die Vergangenheit hinter sich lassen und ganz neu beginnen könnten.
Eine Stunde später war der Teppich voller Papierknäuel. Einen Brief nach dem anderen hatte er abgebrochen. Er fand einfach nicht die richtigen Worte. Entweder klang er beleidigt oder herablassend. Seine Liebe und sein Stolz kämpften gegeneinander an.
Schließlich gab er auf und ging zu White’s, wo er die ganze Nacht an den Spieltischen verbrachte. Da er aber ein geschickter Spieler war und darauf achtgab, nüchtern und wachsam zu bleiben, gewann er sogar. Es schien, als könne er nicht verlieren, und bei Einbruch des neuen Tages war er um fünftausend Pfund reicher. „Glück im Spiel, Pech in der Liebe“, meinte er leise zu sich selbst, als er seinen Gewinn einsteckte. Wenigstens würde das Geld der Schule nutzen.
Erst eine Woche war Lord Amerleigh fort, doch schon hatte seine Abwesenheit eine große Leere hinterlassen, besonders in Charlottes Leben. Er fehlte ihr, sie vermisste seine Neckereien und ihre Wortgefechte ebenso sehr wie ihre Einigkeit bei Dingen, die ihnen beiden wichtig waren. Sie vermisste seine Wärme, sein Verständnis und die schiere Wonne, die ihr seine Berührungen und Küsse verursachten. Nicht einmal die Nachricht, dass die „Fair Charlie“ in
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