Mylady Adelshochzeit 01
einen Straßenjungen mit einem billet-doux auszusenden. Natürlich war er ein netter junger Mann, nur so sehr berechenbar. Aufseufzend dachte sie daran, dass eben dieser Herr am heutigen Abend bei ihnen zum Dinner erwartet wurde, und wie stets würde er auf die Minute pünktlich sein.
„Du kommst spät.“ Gereizt empfing Mrs. Beaumont ihre Tochter in der Diele. „Du hast doch nicht vergessen, dass wir Gäste zum Dinner haben?“
„Nein, Mama, ich weiß, dass wir um sieben Uhr Mr. Bond erwarten.“ „Nun, gut … sieh zu, dass Millie dir das Haar hübsch frisiert.“ Ihre Mutter umkreiste sie einmal und zupfte an einer lose herabhängenden goldblonden Strähne. „Stephen bringt übrigens seine Großmutter mit. Sie kommt aus Bath und ist bei ihm zu Besuch. Als er sie mir gestern im Theater vorstellte, konnte ich nicht umhin, sie ebenfalls einzuladen. Und dein Vater ist auch noch nicht zurück! Dabei ist es schon kurz vor sechs.“
„Er wollte doch an Tarquins Wohnung vorbei, um sich nach ihm zu erkundigen.“
„Jemand hat nach Tarquin gefragt“, sagte Mrs. Beaumont ein wenig besorgt. „Millie kam von einem Botengang wieder und erzählte, dass sie von einem Mann angesprochen wurde. Er muss unser Haus beobachtet haben, sonst hätte er nicht wissen können, dass sie hierher gehört. Er war höflich, sagt sie, sah aber nicht sehr vornehm aus.“ In diesem Moment trat Mr. Beaumont ein, und seine Gattin schaute ihm fragend entgegen.
„Leider keine Neuigkeiten“, erklärte er, während er seinen Mantel ablegte. Sein Ton klang nicht mehr so optimistisch wie noch am Vormittag.
„Du warst in der Westbury Avenue, Papa?“
„Ja, und seine Hauswirtin war sehr erfreut darüber, kann ich euch sagen! Ich kam gar nicht erst zu Wort, denn kaum, dass sie mich sah, wollte sie von mir wissen, wo er sich herumtreibt! Sie meint nämlich, er hätte sich auf Nimmerwiedersehen davongemacht.“ Er schüttelte betrübt den Kopf. „Ein Großteil seiner Besitztümer fehlt, und er schuldet ihr zwei Monatsmieten. Seit zwei Wochen hat sie ihn nicht mehr gesehen.“
„Was sollen wir nur mit ihm anfangen?“, rief Mrs. Beaumont verzweifelt. „Wann wird er endlich ruhiger und lernt Verantwortung und Rücksicht? Also ist er tatsächlich wieder einmal auf der Flucht vor seinen Gläubigern!“
Mr. Beaumont schürzte skeptisch die Lippen. „Ich glaube, es geht hier nicht nur um die Miete. Mrs. Dale erzählte, dass ein Kerl mit einer Boxernase nach ihm gefragt hat. Angeblich sah er aus wie jemand, dem man besser nicht krumm kommt.“
Besorgt fasste Mrs. Beaumont ihren Gatten beim Arm. „Millie wurde draußen auf der Straße von einem Mann mit einer solchen Nase über Tarquin ausgefragt. Aber sie sagte, er wäre sehr höflich gewesen …“, fügte sie wie aufmunternd hinzu.
„Nun, das wird er auch bleiben, wenn er auf Geld aus ist“, meinte Mr. Beaumont und lachte zynisch. „Erst wenn sie keines bekommen, werden sie grob! Ich verstehe nicht, warum er sich nicht meldet“, fuhr er fort. „Normalerweise bin ich sein erster Rettungsanker, wenn er Geld braucht. Ob er sich an einen seiner Freunde gewandt hat? Ich hatte ihn nämlich letztens gewarnt, dass ich ihm ganz bestimmt nicht noch einmal unter die Arme greifen würde. Vielleicht hat er mich beim Wort genommen.“
Rasch warf Emily ein: „Heute Nachmittag traf ich Mr. Hunter. Er hatte ebenfalls schon in Tarquins Logis nach ihm gesucht. Nicht, weil er Schulden eintreiben wollte, keine Sorge! Er sagte, auch er hätte Tarquin seit Längerem nicht gesehen, aber er bot sich freundlicherweise an, Erkundigungen einzuziehen. Wenn er etwas erfährt, wird er es uns wissen lassen.“
Mr. Beaumont nickte langsam. „Mark ist ein guter Junge. Wenn er sagt, er will sich die Ungelegenheit machen, kann man sich darauf verlassen.“ Er fuhr sich mit der Hand durch das ergrauende Haar. „Ich werde mal die Post durchsehen, falls Nachricht von Tarquin dabei ist …“ Schwerfällig ging er zu seinem Arbeitszimmer, während seine Gattin davoneilte, um sich den Vorbereitungen fürs Dinner zu widmen. Über die Schulter rief sie Emily zu: „Beeil dich um Himmels willen beim Umkleiden! Schau nur, wie spät es schon ist!“
Als die Tür sich hinter ihrer Mutter schloss, zog Emily langsam das Briefchen aus der Tasche. Heimlicher Verehrer, ha!, dachte sie spöttisch.
Plötzlich glaubte sie zu wissen, von wem das Schreiben kam.
Von Tarquin, der so die Eltern umgehen wollte. Sie fragte sich nur,
Weitere Kostenlose Bücher