Mylady Adelshochzeit 01
Tarquin ist.“ Verlegen fuhr sie sich mit der Zunge über die trockenen Lippen, denn Mr. Hunters unverwandtes Interesse irritierte sie. „Ich wollte Sie gerade fragen, wo er sich aufhalten könnte.“
Mark zog überlegend die Brauen zusammen; er hörte die Besorgnis aus Emilys Tonfall heraus. „Seit letzter Woche bei White’s, wo wir ein Spielchen machten, habe ich ihn nicht mehr gesehen. Deshalb erkundigte ich mich heute Morgen bei seiner Hauswirtin, hörte aber, er sei schon seit mehreren Tagen nicht mehr in seiner Wohnung gewesen. Daher vermutete ich ihn daheim bei Ihren Eltern. Übrigens kann ich Sie beruhigen – ich suche ihn nicht wegen einer Spielschuld“, fügte er milde hinzu, als er ihren scharfen Blick sah. „Aber er hatte angedeutet, dass er mich vielleicht nach Cambridge begleiten würde.“
Emily erinnerte sich: Mark Hunter besaß einen Landsitz in Cambridgeshire, auf dem Tarquin schon einmal zu Besuch gewesen war, und wieder daheim hatte er ehrfürchtig von der Größe und prachtvollen Ausstattung des Hauses berichtet. Doch ihre Gedanken waren gleich wieder bei dem, was sie quälte. „Papa sagte, er wolle heute Nachmittag in der Westbury Avenue vorsprechen, aber nachdem Sie schon vergebens dort waren, ist das wohl Zeitverschwendung.“ Unbewusst seufzte sie auf. „Es ist zu schlimm von Tarquin, so wortlos zu verschwinden. Haben Sie wohl eine Vorstellung, wo er sein könnte?“ Sie schaute besorgt zu ihm auf. „Er pflegt ja unkonventionelle Vergnügungen. Gibt es vielleicht irgendwo auf dem Land einen Boxkampf oder Hahnenkämpfe oder etwas dergleichen?“
Mark blickte in ihre grauen Augen, die so bekümmert dreinschauten. Emily hoffte auf seine Hilfe, und er hätte sie nur zu gern gewährt, nur leider hatte er keine Ahnung, wo Tarquin sein könnte.
Obwohl Miss Emily Beaumont ihn nicht mochte, hatte er eine Schwäche für sie. Doch nicht nur ihr Äußeres zog ihn an. Sicher, sie war außerordentlich hübsch und besaß eine entzückende Figur. An diesem kühlen Frühlingstag hüllte ihr Samtmantel sie sehr züchtig ein, jedoch hatte er sie oft genug in seidenen Abendtoiletten gesehen, in denen ihre reizvollen Rundungen hervorragend zur Geltung kamen, und hatte das stets mit beschleunigtem Pulsschlag zur Kenntnis genommen. Zu solchen Gelegenheiten überlegte er oft genug, wie er ihre schlechte Meinung über ihn ändern könnte. Es würde keine leichte Aufgabe sein. Emily Beaumont besaß einen starken Charakter und scheute sich weder, ihn herauszufordern, noch hielt sie mit ihren Ansichten hinterm Berg. Und auch das faszinierte ihn an ihr. Leider neigte eine beklagenswerte Anzahl junger Damen dazu, in seiner Gegenwart errötend herumzustammeln. Emily hingegen schleuderte eher zornige Blicke aus ihren schönen graublauen Augen, als ihm unter ihren langen Wimpern hervor lockende Blicke zuzuwerfen.
Im Augenblick allerdings sah sie stumm flehend zu ihm auf, was hoffentlich bedeutete, dass sie sich möglicherweise überzeugen ließ, wie wenig er dem herzlosen Burschen glich, für den sie ihn hielt. Mark war sich ziemlich sicher, dass ihr Bruder sich versteckt hielt, weil er wieder einmal seine Schulden nicht begleichen konnte. Aber um für die berückende junge Dame den Ritter in schimmernder Rüstung spielen zu können, würde er das erst einmal für sich behalten.
„Nein, zurzeit wüsste ich keine solche Veranstaltung“, entgegnete er ruhig, „aber das muss nichts heißen. Wenn Sie möchten, werde ich mich umhören und versuchen, ihn zu finden.“
In diesem Moment waren ihre Vorbehalte vergessen, und sie strahlte ihn ganz ungekünstelt an. „Sehr gern, danke sehr, Sir. Es wäre sehr beruhigend zu wissen, dass Tarquin in seinem Egoismus nur wieder einmal völlig unbedacht gehandelt hat.“ Dann wurde sie sich der Kritik an ihrem Bruder bewusst. Bisher hatte sie ihn besonders vor Mr. Hunter immer heftig verteidigt. Doch Tarquins Verhalten ließ ihre Langmut zusehends schrumpfen. Immer wieder hatte er sie enttäuscht, obwohl sie alle ihn ständig unterstützten und in Schutz nahmen. Tarquin jedoch dankte es ihnen nicht, weder mit Worten noch mit Taten, und Emily war sich bewusst, dass die mangelnde Besorgnis ihrer Eltern der Erleichterung entsprang, ihren ältesten Sohn samt seinen Problemen eine Weile aus den Augen zu haben.
Emily seufzte. Anders als sie nach außen zugab, dachte auch sie nicht immer liebevoll an ihren Bruder. Immerhin hatte er vor einigen Jahren den Mann vertrieben, den
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